Выбрать главу

ca. 1000

BURGI    Vor der Jahrtausendwende lebten die Europäer fast ausschließlich unter grundherrlichen Rechtsverhältnissen auf dem Land. Elementare handwerkliche Tätigkeiten (Schmieden, Weben, Töpfern, Gerben) waren eng mit der jeweiligen Gutsherrschaft verknüpft. Seit der spätkarolingischen Zeit jedoch siedelten sich zunehmend Handwerker und auch der eine oder andere Händler nahe einer befestigten Grafenburg, eines Klosters oder in den eventuell noch bestehenden civitates aus der Römerzeit an. Diese Landgemeinden muss man sich in ihren Anfängen denkbar klein vorstellen. In Deutschland verstand man bis weit ins Mittelalter hinein unter solch einer burg in erster Linie die dazugehörige Handwerkersiedlung und nicht die befestigte Residenz eines Stadtherren, sei es der Bischof, ein Graf oder sonst ein Fürst. So ist die Namensgebung von Hamburg, Magdeburg, Naumburg, Würzburg, Regensburg oder Freiburg zu verstehen: Gemeint ist die Siedlung. Im Deutschen wie im Französischen erinnert »Bürger« oder bourgeois an diesen Zusammenhang.

ab 1050

STADTLUFT MACHT FREI    »Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag« war ein Rechtsgrundsatz des Mittelalters, wonach Leibeigene, die sich ein Jahr in einer Stadt aufhielten, ohne von ihrem Grundherren zurückgefordert zu werden, die Freiheit erlangten. Die Bauern unterstanden dem »Landrecht« des Grundherrn, manchmal bis hin zum Leibeigentum. Die Stadt mit ihrem Stadtrecht war eine Rechtszone, die davon befreit war. Könige, Fürsten, Stadtherren förderten die urbane Entwicklung und statteten die burgi mit allerlei Privilegien, Rechten, Freiheiten aus. Marktrechte, Stapelrechte, Zollrechte wurden verliehen, damit sich der Handel entfalten konnte. Auch für den Einzelnen gab es konkrete Freiheiten, etwa beim Erbrecht oder Veräußerungsrecht (von Grundstücken, Häusern). Im grundherrlichen Landrecht war so etwas zustimmungspflichtig; die Stadtbürger waren davon »befreit«. Zur autonomen Rechtspflege wurden eigene Gerichtsbarkeiten und Selbstverwaltungsorgane gewährt.

ab 1150

FREIE REICHSSTADT    Eine Freie Reichsstadt war »reichsunmittelbar«, sie unterstand nur dem Kaiser, nicht dem Landesfürsten, in dessen Territorium sie lag. Machtpolitisch schufen die Kaiser damit bewusst von ihnen direkt abhängige »reichsunmittelbare« Bereiche wie Inseln innerhalb der Grundherrschaften des Feudaladels. Die meisten Reichsstädte hatten auch etwas Landbesitz in ihrer unmittelbaren Umgebung, hauptsächlich für die Nahversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Das Reichsstadtterritorium endete also nicht an der Stadtmauer. Die Reichsstadt mit dem größten eigenen Territorium war Bern. In den Stadtrepubliken des Hoch- und Spätmittelalters, sowohl in den italienischen Kommunen wie in den freien Reichsstädten im Reich, gehörten dann Steuerhoheit, Münzhoheit, Gerichtshoheit, ein eigenes Heeresaufgebot, also ein großes Maß an »Souveränität«, dazu. Andererseits mussten die reichsunmittelbaren Städte Heerfolge leisten.

Die Staufer gründeten besonders eifrig Städte, wie Memmingen, Ravensburg, Wimpfen, Dinkelsbühl oder Schwäbisch Hall. Geriet der Kaiser (oder ein großer Fürst) in Finanznot, konnte es passieren, dass er eine ganze Stadt an den jeweiligen Territorialherrn verpfändete; wenn er seine Schulden nicht bezahlen konnte, fiel die Stadt an den Landesherrn. So geschehen in Eger (an Böhmen 1322).

Dem Zähringer Gründungseifer verdanken Freiburg, Offenburg, Bern und das schweizerische Freiburg ihre Existenz. München wurde 1175 durch den Welfen Heinrich den Löwen gegründet, um dem Bischof von Freising, der den einzigen Isar-Übergang weit und breit besaß, eins auszuwischen. Heinrich ließ kurzerhand eine eigene Isarbrücke errichten (heute unmittelbar vor dem Deutschen Museum), gründete die Stadt »bei den Mönchen« von St. Peter zu deren Schutz und ließ den Brückenzoll entfallen. Dank dieses geldwerten Vorteils lief der Salzhandel zwischen Salzburg und Augsburg nun über »die Brücke bei den Mönchen«: München.

In Italien entwickelten viele Kommunen eine teilweise noch größere Autonomie als Stadtrepubliken (Mailand, Florenz, Siena, aber auch viele kleinere). Innerhalb des Reiches entwickelten sich die Freien Reichsstädte zu einem eigenen »Stand« neben den Kurfürsten und den Reichsfürsten im Reichstag. Nach dem Ende des Alten Reiches 1803 blieben als souveräne Stadtstaaten noch Bremen, Hamburg, Lübeck und Frankfurt.

ab 1100

WECHSELKURS    Wenn ein italienischer Kaufmann von Genua zur Messe nach Frankfurt reiste, war es unpraktisch, einen Sack voll Geldmünzen mit sich zu führen. Er konnte unterwegs ausgeraubt werden. Deswegen stellte der Italiener dem Händler in Frankfurt eine Urkunde aus: Sie enthielt die Anweisung des Genuesers an seine Bank, dem Frankfurter die Summe bar auszuzahlen oder dessen Konto gutzuschreiben. So ein Wechsel war so gut wie Bargeld; er konnte weiter zur Zahlung verwendet werden, wenn ein dritter Kaufmann die »Bonität« anerkannte, weil er wusste, dass die Genueser Bank ihn einlösen würde.

Der Wechsel war die wichtigste Finanzinnovation des Mittelalters, die Erfindung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Daraus entstanden später die Schecks und die Idee für die Banknote. Um die Wechsel in der zunehmenden Komplexität miteinander austauschen zu können, entwickelten sich »Wechselkurse« dort, wo viele Wechsel getauscht wurden – an den Börsen.

Ein kleines Risiko, dass der Wechsel nicht in Genua eingelöst würde, musste man einkalkulieren. Deswegen zahlte man beim Wechseltausch nicht die ganze Geldsumme aus, sondern nahm einen gewissen Abschlag vor, den Diskont. Wie sicher das Geschäft im Großen und Ganzen lief, zeigt sich daran, dass noch im 19. Jahrhundert ganze Banken ihr Geschäftsmodell auf dem Einbehalten des Diskonts aufbauten (sie hießen »Disconto-« oder »Wechselbanken«) und damit reich wurden.

ab 1100

BANKROTT    Wegen der führenden Stellung der Lombardei im internationalen Warenhandel wurde lombardi ein europaweiter Begriff für den Geldwechsler, den Bankier. Verfügte der banchiere (nach banca, dem Tisch für die Geldwechsler) über viel Geld, war es sinnvoll, einen Teil davon als Kredit zu verleihen. Grundzüge und Grundfunktionen des modernen Bankenwesens haben sich seit 1100 in den oberitalienischen Städten entwickelt. Die vielen noch heute geläufigen italienischen Begriffe zeugen davon: Konto, Giro oder Skonto.

Konnte ein Geldwechsler seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, wurde sein Tisch zerschlagen (italienisch: banca rottare). Der erste historisch bedeutende Bankrott der Buonsignori 1298 bedeutete das Ende der Vorherrschaft sienesischer Bankhäuser. Danach vollzog sich der Aufstieg der Florentiner Banken wie Bardi oder Peruzzi und von Florenz zur absolut dominierenden Kulturhauptstadt Europas.

1139

WUCHERVERBOT    Wie entwickelt das Finanzsystem in Europa schon vor 1140 gewesen sein muss, zeigt das 1139 auf dem zweiten Laterankonzil als kirchenrechtliche Maßnahme erlassene Wucherverbot. Mit »Wucher« war damals allgemein Zins gemeint, der nach christlicher Auffassung nicht erhoben werden durfte. Nicht nur die Bibel, auch der Koran spricht sich dagegen aus.

Die Juden waren vom Zinsverbot spätestens seit 1179 durch Papst Alexander III. ausdrücklich ausgenommen. So wuchsen sie in diese Branche hinein, seit dem Mittelalter verstärkt durch die Regelungen der Zünfte, die ihnen den Zugang zu anderen Berufen und Gewerben untersagten. Sehr oft waren die Juden die Geldverleiher für die kleinen Leute, die Handwerker und Bauern. Die Großkaufleute und ihre Bankiers hatten sich untereinander bereits etabliert.