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Nach einer letzten Liebkosung wandte Durotan seine Aufmerksamkeit Kurvorsh zu, einem der Späher, die er vorausgeschickt hatte. Die meisten Frostwölfe hatten ihr Haar behalten, was im frostigen Norden nur vernünftig gewesen war. Kurvorsh hingegen hatte sich wie viele andere dazu entschlossen, seinen Schädel kahl zu rasieren, sobald sie nach Süden reisten, um bloß eine einzelne lange Strähne übrig zu lassen, die er zu einem Zopf geflochten hatte. Sein Wolf blieb vor Durotan stehen; die Zunge hing dem in der Hitze hechelnden Tier aus dem Maul.

Durotan warf Kurvorsh einen Wasserschlauch zu. „Trink erst etwas, und dann berichte.“ Kurvorsh nahm durstig einige große Schlucke, eher er seinem Häuptling den Schlauch zurückgab.

„Am Horizont habe ich eine Reihe von Behausungen entdeckt“, erklärte er, während er allmählich wieder zu Atem kam. „Zelte, genau wie unsere. Und so viele! Ich sah den Rauch von Dutzenden … nein, von Hunderten Herdfeuern, und sie haben Wachtürme aufgestellt, um uns kommen zu sehen.“ Er schüttelte verwundert den Kopf. „Gul’dan sprach die Wahrheit, als er sagte, dass er sämtliche Orcs von Draenor versammeln würde.“

Eine Last wich von Durotans Schultern, von der er niemals auch nur zugegeben hätte, dass er darunter litt. Nicht einmal sich selbst gegenüber hatte er die Möglichkeit eingestanden, dass sie zu spät kommen könnten, oder gar, dass diese ganze Sache mit der Zusammenkunft eine einzige riesige Übertreibung gewesen war. Dementsprechend waren Kurvorshs Worte für den erschöpften Häuptling ein größerer Trost, als der Späher ahnen konnte.

„Wie weit entfernt?“, fragte er.

„Ungefähr einen halben Sonnenlauf. Wir sollten rechtzeitig genug dort sein, um unser Nachtlager aufschlagen zu können.“

„Vielleicht haben sie etwas zu essen“, sagte Orgrim. „Irgendwas frisch Erlegtes, das auf einem Spieß brät. Grollhufe kommen nicht so weit nach Süden, oder? Wovon ernähren sich diese Südländer eigentlich?“

„Was auch immer das sein mag, ich bin sicher, dass du es verschlingen wirst, solange es frisch erlegt ist und auf einem Spieß brät, Orgrim“, sagte Durotan. „Und auch sonst“, fügte er hinzu, „würde wohl keiner von uns ein solches Mahl ausschlagen. Doch wir sollten so etwas lieber nicht von vornherein erwarten. Wir sollten überhaupt nichts erwarten.“

„Man hat uns darum gebeten, uns der Horde anzuschließen, und das haben wir getan.“ Das war Drakas Stimme, doch sie erklang neben statt über ihm. Sie war abgestiegen. „Wir tragen unsere Waffen bei uns, von Speeren über Pfeil und Bogen bis zu unseren Kriegshämmern, und wir bringen unser Jagd- und Überlebensgeschick mit. Wir kommen, um der Horde zu dienen, um allen dabei zu helfen, stark zu werden und zu essen. Wir sind Frostwölfe. Sie werden froh sein, dass wir hier sind.“

Ihre Augen blitzten, und sie hob leicht ihr Kinn. Einst, als sie noch jung und zart war, war Draka eine Verbannte gewesen. Sie war als eine der wildesten Kriegerinnen zurückgekehrt, die Durotan je kennengelernt hatte, und hatte den Frostwölfen zudem Wissen über andere Kulturen gebracht, über andere Arten, zu leben, die sich jetzt zweifellos als wertvoll erweisen würden.

„Meine Gefährtin hat recht“, sagte Durotan. Er schickte sich an, sie wieder auf den Rücken von Eis zu heben, doch sie streckte ihm die Hand entgegen: Nein.

„Sie hat recht“, stimmte Draka mit einem kleinen Lächeln zu. „Und sie wird Seite an Seite mit ihrem Häuptling und Gefährten bei dieser Zusammenkunft der Horde erscheinen.“

Durotans Blick schweifte gen Süden. So lange Zeit war der Himmel gnadenlos klar gewesen, ohne die geringste Chance auf Regen. Jetzt jedoch sah er den dunklen Schemen einer grauen Wolke. Während er die Wolke noch betrachtete, wurde die aufquellende Masse unvermittelt von innen heraus von einem Blitz erhellt, der in einem unheilvollen Grünton glomm.

Kurvorsh hatte ihre Marschgeschwindigkeit gut eingeschätzt. Als sie das Lager erreichten, stand die Sonne bereits tief am Horizont, doch auch so blieb dem Clan noch jede Menge Tageslicht, um seine Zelte zu errichten und das Abendessen vorzubereiten.

Der Klang so vieler durcheinanderredender Stimmen war Durotan fremd, und seinen Augen boten sich so viele ungewohnte Anblicke dar, dass es ihn beinah erschöpfte. Sein Blick schweifte über die großen, kreisrunden Zelte, ähnlich dem, das er sich mit Draka teilte, und verharrte dann auf einer Wiese, die abgeteilt worden war, damit dort Kinder aus verschiedenen Clans miteinander spielen konnten. Er nahm all die Gerüche und Geräusche in sich auf – Unterhaltungen, Gelächter, die raue Melodie eines Lok’vadnod, das von vielen Kehlen gemeinsam gesungen wurde, das Dröhnen der Trommeln, so vieler, dass Durotan die Erde unter seinen Füßen beben spürte. Da waren die Düfte von Lagerfeuern und Getreidekuchen, die gerade gebacken wurden, von über offenem Feuer gebratenem Fleisch und von blubbernden Eintöpfen, allesamt untermalt vom strengen, jedoch nicht unangenehmen Moschusgeruch von Wolfsfell und Orc, der ihm in der Nase kitzelte.

Kurvorsh hatte nicht übertrieben; wenn überhaupt, hatte er das Ausmaß dieses scheinbar endlosen Lagers mit seinen Unterkünften aus Fell und Holz zu bescheiden dargestellt. Durotan wusste, dass die Frostwölfe einer der kleinsten Clans waren. Für einen Moment war er von dem Anblick jedoch dermaßen überwältigt, dass er nicht zu sprechen vermochte. Es dauerte eine Weile, bis er schließlich die richtigen Worte fand.

„So viele Clans an einem Ort versammelt, Orgrim. Die Lachenden Schädel, die Schwarzfels-Orcs, der Kriegshymnenclan … Alle wurden hergerufen.“

„Das wird ein mächtiger Kriegstrupp“, sagte sein zweiter Mann. „Ich frage mich bloß, wer dann noch übrig bleibt, gegen den man kämpfen kann?“

„Frostwölfe.“

Die Stimme klang gleichgültig, fast gelangweilt, und als Durotan und Orgrim sich umdrehten, sahen sie zwei große, kräftige Orcs auf sich zumarschieren. Angesichts des Umstands, dass das Land starb und viele Orcs zu wenig zu essen hatten, waren sie ungewöhnlich groß und muskelbepackt. Im Gegensatz zu den Frostwölfen, die bloß wenige Stücke Ketten- oder Plattenpanzer trugen, sondern sich größtenteils auf den Schutz von stachelbewährtem Leder verließen, trugen diese Orcs an den Schultern und sogar auf der Brust makellose, unverbeulte, schimmernde Plattenpanzer. Sie waren mit Speeren bewaffnet und bewegten sich mit gleicher Zielstrebigkeit.

Allerdings waren es nicht ihre gesunden, muskelbepackten Körper oder ihre neuen, strahlenden Rüstungen, die Durotans Blick auf sich zogen.

Sondern vielmehr der Umstand, dass diese Orcs grün waren.

Die Grünschattierung war vergleichsweise subtil und wesentlich weniger offensichtlich als der fast laubgrüne Ton von Gul’dan, dem Anführer der Horde, der mit seiner gleichermaßen grünhäutigen Sklavin Garona nach Norden gekommen war. Diese Nuance indes war dunkler, mehr wie das typische Braun von Orc-Haut, doch der Grünstich – dieser sonderbare, unnatürliche Grünstich – war trotzdem da.

„Wer von euch ist der Häuptling?“, verlangte einer der Grünen zu wissen.

„Ich habe die Ehre, die Frostwölfe anzuführen“, grollte Durotan und trat vor. Die Orcs musterten ihn von Kopf bis Fuß, ehe ihr abschätziger Blick auf Orgrim fiel. „Ihr beide. Folgt mir. Schwarzfaust wünscht euch zu sehen.“

„Wer ist Schwarzfaust?“, wollte Durotan wissen.

Einer der grünen Orcs blieb abrupt stehen und wandte sich um. Er grinste – kein sonderlich hübscher Anblick.

„Nun, Frostwolf-Welpe“, sagte er. „Schwarzfaust ist der Anführer der Horde.“

„Du lügst!“, schnappte Durotan. „Gul’dan ist das Oberhaupt der Horde!“

„Gul’dan ist derjenige, der uns alle hergeholt hat“, sagte der zweite Orc. „Er ist derjenige, der uns den Weg in ein neues Land weisen kann. Doch er hat Schwarzfaust ausgewählt, um die Horde in die Schlacht zu führen, auf dass wir über unsere Feinde triumphieren mögen.“