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Durotan und Orgrim tauschten einen Blick miteinander. Als Gul’dan mit seinem Vater Garad oder mit Durotan selbst gesprochen hatte, war von einer Schlacht um das „neue Land“ keine Rede gewesen. Er war ein Orc, ja, noch mehr als ein Orc: Er war ein Frostwolf-Häuptling. Er würde gegen jeden kämpfen, gegen den er kämpfen musste, um die Zukunft seines Volkes zu sichern. Die Zukunft seines ungeborenen Kindes. Doch dass Gul’dan es nicht für nötig gehalten hatte, diesen Umstand zu erwähnen, erfüllte ihn mit Sorge.

Er und Orgrim waren Freunde seit Kindertagen und wussten stets, was gerade im Kopf des anderen vorging. Und so hielten sie jetzt beide ihre Zunge im Zaum.

„Schwarzfaust hat Anweisungen für eure Ankunft gegeben“, erklärte der erste Orc, um mit einem spöttischen Grinsen hinzuzufügen: „Für den Fall, dass ihr tatsächlich den Mut aufbringen würdet, dem Frostfeuergrat den Rücken zu kehren.“

„Unser Zuhause ist nicht mehr“, entgegnete Durotan rundheraus. „Genauso, wie eures nicht mehr ist, welchem Clan ihr auch angehört.“

„Wir sind Schwarzfelsen“, sagte der zweite Orc mit stolzgeschwellter Brust. „Schon, bevor Gul’dan ihm den Ruhm zuteilwerden ließ, die Horde anzuführen, war Schwarzfaust unser Häuptling. Komm mit uns, Frostwolf. Lass deine Gefährtin hier. Dort, wo wir hingehen, sind bloß Krieger willkommen.“

Durotan zog die Augenbrauen zusammen, und ihm lag bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, als sich Drakas trügerisch sanfte Stimme vernehmen ließ: „Geh mit Orgrim und triff dich mit Schwarzfaust, mein Liebster“, sagte sie. „Der Clan wird auf eure Rückkehr warten.“ Und sie lächelte.

Sie wusste, wann es zu kämpfen galt und wann Diplomatie gefragt war. Sie war mit jeder Faser ebenso eine Kriegerin wie er, doch ihr war klar, dass jene, die mehr nach Konfrontation strebten denn nach Nahrung für ihr Volk, sie in ihrem gegenwärtigen „Zustand“ nicht für voll nehmen würden.

„Dann such uns einen Platz zum Lagern“, trug er ihr auf. „Unterdessen spreche ich mit diesem Schwarzfaust vom Schwarzfelsclan.“

Die Wachen führten ihn und Orgrim durch das Lager. Familien mit Kindern, umringt von Kochgerät und Schlaffellen, mischten sich unter Orcs mit Narben und harten Augen, die Waffen und Rüstungen reinigten, ausbesserten und schmiedeten. Aus dem Zelt eines Schmieds drang das Klirren eines Hammers auf Metall. Andere Orcs meißelten aus Steinen Räder. Wieder andere befiederten Pfeile und schärften Messer. Alle warfen den beiden Frostwölfen flüchtige, abschätzende Blicke zu, die Durotan so deutlich spürte wie eine körperliche Berührung.

Das Geräusch von Stahl auf Stahl und der Ausruf „Lok’tar ogar!“ drang an Durotans Ohren. Sieg oder Tod. Was ging hier vor? Ohne auf seine Eskorte zu warten, näherte er sich der Quelle des Tumults und bahnte sich seinen Weg durch die versammelte Menge, bis er eine gewaltige, kreisrunde Arena erreichte, in der Orcs gegeneinander kämpften.

Gerade hechtete eine geschmeidige Orcin, die bloß mit zwei merkwürdig aussehenden Dolchen bewaffnet war, unter dem Arm eines Orcs hindurch, der einen Morgenstern schwang, und zog ihm mit ihren Klingen zwei rötlich schwarze Linien über die Rippen. Sie hatte die Chance, ihren Gegner sauber zu erledigen, doch das tat sie nicht. Durotans Blick schweifte zu einer anderen Gruppe von Orcs, diesmal vier gegen einen, und dann weiter zu einem Kampf Mann gegen Mann.

„Übungskämpfe“, sagte er zu Orgrim, und sein Körper entspannte sich ein wenig. Er runzelte die Stirn. Die braune Haut von gut einem Drittel der Orcs, die hier trainierten, hatte denselben dunklen Grünstich wie die ihrer Begleiter.

„Frostwölfe, hm?“, ertönte hinter ihnen eine dröhnende, tiefe Stimme. „Nicht unbedingt die Monster, die ich erwartet hatte.“

Die beiden drehten sich um und sahen sich einem der größten Orcs gegenüber, die Durotan je zu Gesicht bekommen hatte. Weder er noch Orgrim waren sonderlich klein – tatsächlich war Orgrim in ihrem Clan der kräftigste Orc seit mehreren Generationen –, doch zu diesem Orc hier musste sogar Durotan aufschauen. Seine Haut – von dunklem, echtem Braun ohne eine Spur von Grün – glänzte, entweder vor Schweiß oder vor Öl, und war mit Tätowierungen übersät. Seine gewaltigen Hände waren komplett schwarz vor Tinte, und in seinen Augen glomm Belustigung, als er sie musterte.

„Du wirst feststellen, dass wir unserem Ruf mehr als gerecht werden“, sagte Durotan gelassen. „Du wirst in deiner neuen Horde keine besseren Jäger finden als uns, Schwarzfaust vom Schwarzfelsclan.“

Schwarzfaust warf den Kopf zurück und lachte. „Wir brauchen keine Jäger“, sagte er. „Wir brauchen Krieger. Bist du denen ebenbürtig, die vor dir kamen, Durotan, Sohn von Garad?“

Durotan blickte zu dem blutenden Orc hinüber, der von seiner Angreiferin kalt erwischt worden war. „Besser“, sagte er, und das war die Wahrheit. „Als Gul’dan zu uns kam, um die Frostwölfe zu bitten, sich der Horde anzuschließen … zweimal … erwähnte er nichts davon, dass wir für dieses gelobte Land kämpfen müssen.“

„Ah“, sagte Schwarzfaust. „Aber wo bliebe da der Spaß, wenn uns alles so einfach in den Schoß fiele? Immerhin sind wir Orcs. Und jetzt sind wir sogar eine ganze Horde von Orcs! Und wir werden diese neue Welt erobern. Jedenfalls“, fügte er hinzu, „jene von uns, die tapfer genug sind, dafür in die Schlacht zu ziehen. Du hast doch keine Angst, oder?“

Durotan gestattete sich ein winziges Lächeln; seine Lippen um seine unteren Stoßzähne kräuselten sich. „Das Einzige, was ich fürchte, sind leere Versprechungen.“

„Kühn“, sagte Schwarzfaust beipflichtend. „Und unverblümt. Das ist gut. In meiner Armee ist kein Platz für Stiefellecker. Ihr seid gerade noch zur rechten Zeit gekommen, Frostwolf. Noch eine Sonne, und ihr wäret zu spät gewesen. Dann hätten wir euch mit den Alten und Gebrechlichen zurückgelassen.“

Durotan legte die Stirn in Falten. „Du würdest jemanden zurücklassen?“

„Anfangs ja – so hat Gul’dan es befohlen“, sagte Schwarzfaust.

Durotan dachte an seine Mutter, die Wissenshüterin Geyah, an Drek’Thar, den betagten Schamanen ihres Clans, an die Kinder … und an sein Weib, die sein Fleisch und Blut unter dem Herzen trug. „Dergleichen habe ich nie zugestimmt!“

„Falls du damit nicht einverstanden bist, wäre es mir ein großes Vergnügen, die Angelegenheit bei einem Mak’gora auszukämpfen.“

Das Mak’gora war eine uralte Tradition, die alle Orcs kannten und praktizierten. Es war ein Ehrenkampf, ein Kampf Mann gegen Mann, eine Herausforderung, die man annehmen musste. Und man focht bis zum Tod. Vor einigen Monaten hatte sich Durotan angesichts der schwindenden Zahl seines Clans geweigert, einen anderen Frostwolf zu erschlagen, den er beim Mak’gora bezwungen hatte. Schwarzfaust schienen solche Bedenken fremd zu sein.

„Gul’dan wird uns morgen bei Sonnenaufgang in unser neues Heimatland führen“, sagte Schwarzfaust. „Diese erste Welle, die ausschließlich aus Kriegern besteht, wird über unsere Feinde hereinbrechen und sie hinwegspülen. Die Besten, die die Horde aufzubieten hat. Du solltest jene aus deinem Clan mitbringen, die jung, gesund, flink und wild sind – eure besten Kämpfer.“

Durotan und Orgrim wechselten einen Seitenblick. Falls in diesem Land tatsächlich Gefahren auf die unter ihnen lauerten, die am verletzlichsten waren, war das zweifellos eine vernünftige Strategie. Das war das, was die Starken tun sollten.

„Deine Worte machen Sinn, Schwarzfaust“, erklärte er widerstrebend. „Die Frostwölfe werden sich fügen.“

„Gut“, sagte Schwarzfaust. „Ihr Frostwölfe seht vielleicht nicht aus wie Monster, doch ich würde es hassen, euch töten zu müssen, ohne zuvor zumindest die Möglichkeit gehabt zu haben, euch alle kämpfen zu sehen. Komm, ich zeige dir die ungezügelte Kampfkraft, die wir entfesseln werden, wenn wir über diese nichtsahnenden Lande herfallen.“

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