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Carolin l?uft in dem grossen Raum mit den Werkb?nken hin und her und telefoniert. Aus der kleinen K?che hinter dem Flur, in der sich Caro und ihr bester Freund und Kollege Daniel immer Tee oder Kaffee kochen, h?re ich es verd?chtig klappern. Vielleicht denkt wirklich jemand an mich? Muss ja nicht unbedingt frisches Rinderherz sein, eine Zwischenmahlzeit in Form von Hundekuchen w?rde mir auch gefallen.

Hoffnungsfroh renne ich hin?ber und schaue durch die T?r: Tats?chlich hantiert Daniel mit einem Karton. Ich schnuppere kurz in die Luft – nein, bedauernswerterweise sind keine Hundekuchen darin, sondern wohl nur die kleinen Papiert?ten, in die er immer das Kaffeepulver f?llt. Vielleicht kann ich ihm trotzdem einen Snack aus den Rippen leiern. Direkt neben der T?r stehen mein Trink-und mein Fressnapf. Letzterer ist – leider! – leer. Ich gebe ihm einen kr?ftigen Stoss mit meiner Schnauze und werfe ihn damit gegen den Trinknapf, so dass es ziemlich laut scheppert. Daniel dreht sich erschrocken zu mir um. Recht so! Ein schlauer Kerl und Hundefreund wie er sollte doch mit dieser Botschaft etwas anfangen k?nnen.

»He, du Randale-Dackel! Oder sollte ich besser Hooligan-Hund sagen? Was soll das denn?«

Also bitte, Daniel, das ist jetzt nicht der passende Moment f?r sprachliche Spitzfindigkeiten, die mir pers?nlich auch rein gar nichts sagen. Ich will etwas zu fressen, und zwar schnell! Um die Botschaft noch etwas klarer zu machen, gebe ich dem umgekippten Fressnapf noch einen Stups und knurre ein bisschen.

»Ach, daher weht der Wind. Monsieur verlangt nach einer Mahlzeit!«

Sehr gut, hundert Punkte, Daniel. Und nun mach schon, du weisst bestimmt, wo Carolin meine Leckerlis aufbewahrt – in dem kleinen Schr?nkchen, auf dem die Kaffeemaschine steht. Das ist doch f?r dich nur ein Griff!

Aber leider?ffnet Daniel nicht einfach die Schrankt?r, sondern sieht sich etwas hilfesuchend in der kleinen K?che um und f?hrt sich dann ratlos mit den H?nden durch die vielen hellen Locken auf seinem Kopf.

»Hm, wo mag denn dein Frauchen etwas f?r dich verstaut haben?« Er ?ffnet den Schrank ?ber dem Herd mit den zwei Platten. »Also, das hier sieht schon mal schlecht aus. Vielleicht daneben? Nee, auch nicht.« Er beugt sich zu mir herunter. »Tja, Herkules, da siehst du es – ich war wirklich verdammt lange weg. Ich muss mich hier erst einmal wieder einleben.«

Mit diesen Worten verl?sst er die K?che und geht in den grossen Werkraum.

»Sag mal, Carolin«, h?re ich ihn fragen, »hast du hier unten irgendetwas zu fressen f?r Herkules? Er scheint Hunger zu haben.«

»Kann zwar eigentlich nicht sein, aber vielleicht hat ihn die allgemeine Vorweihnachtsv?llerei angesteckt. Moment, ich zeig’s dir.« Sie kommen beide in die K?che.

»Danke!«

»Keine Ursache, ist ja auch in meinem Interesse, wenn du dich so schnell wie m?glich wieder heimisch f?hlst.«

Recht hat sie. Ich will doch schwer hoffen, dass Daniel diesmal f?r immer dableibt. Carolin und Daniel haben sich n?mlich schon einmal die Werkstatt geteilt und zusammen Geigen gebaut. Das war zu der Zeit, als mich Caro aus dem Tierheim gerettet hat. Aber dann war Danielals Mann zu nett f?r Carolin, aber nicht f?r Aurora, und deswegen verliebte sich Carolin in Marc, und Daniel zog mit der doofen Aurora

weit, weit weg und kam nur noch ganz selten bei uns vorbei. Also, das ist jetzt die sehr verk?rzte Fassung, aber so ungef?hr war’s. Es ist auch m?ssig, sich bei Menschenalles merken zu wollen. Ich habe es jedenfalls mittlerweile aufgegeben. Daf?r passiert bei denen einfach viel zu viel.

Das soll mich jetzt auch nicht weiter kratzen, denn immerhin ist Daniel nun wieder da und scheint auch bleiben zu wollen. Umso sinnvoller ist es deswegen nat?rlich, dass Carolin ihn gr?ndlich in die wesentlichen Dinge der Werkstatt einweist. Wozu selbstverst?ndlich auch geh?rt, wo sich mein Futter befindet.

Nach einer solchen Einarbeitung sieht es allerdings momentan nicht aus. Stattdessen stehen die beiden in der K?che voreinander und schweigen sich an. Dann l?chelt Daniel und knufft Caro in die Seite.

»Carolin, ich bin froh, dass wir jetzt wieder ein richtiges Team sind.« Sie nickt.

»Ja, ich auch. Ich hoffe nur, du wirst M?nchen nicht zu sehr vermissen. Und alles, was damit zusammenh?ngt.«

Daniel brummt irgendetwas Unverst?ndliches, und diesmal ist es Carolin, die ihn knufft.

He! Das ist ja geradezu r?hrend, wie ihr hier den Geist eurer Freundschaft beschw?rt, aber: WO BLEIBT MEIN FUTTER? Ich winsle ein bisschen, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen.

»Ist ja gut, S?sser, geht schon los!« Carolin beugt sich zu dem Schr?nkchen, ?ffnet eine der T?ren und nimmt eine Dose heraus.Na endlich!, m?chte ich laut rufen, beschr?nke mich aber meinen F?higkeiten entsprechend auf ein gutgelauntes Schwanzwedeln.

Als Carolin die Dose?ffnet, passieren mehrere Dinge, und zwar fast zeitgleich: Erst str?mt der verf?hrerische Duft

von Pansen und Leber in die K?che – und nur den Bruchteil einer Sekunde sp?ter l?sst Carolin die Dose auf den Boden fallen, gibt ein tiefes, w?rgendes Ger?usch von sich, dreht sich blitzschnell zur Seite und ?bergibt sich in die Sp?le neben der Kaffeemaschine.

ZWEI

Heilige Fleischwurst! Das letzte Mal, dass ich erleben musste, wie sich Carolin?bergab, war mit Sicherheit der absolute Tiefpunkt meiner Karriere als Haustier. Carolin hatte aus Liebeskummer eine ganze Flasche Cognac niedergemacht, dann ihren Wohnzimmerteppich in kleine Teile geschnitten und war schliesslich ohnm?chtig geworden. Also, nachdem sie gespuckt hatte. Und wer warschuld daran? Genau. Ich, Herkules, der Ungl?cksrabe, mit freundlicher Unterst?tzung von Herrn Beck. Kurz zuvor hatten wir zwei n?mlich Carolins gruseligen Freund Thomas aus dem Haus geekelt. Die beiden passten einfach nicht zusammen. Trotzdem war Caro danach so ungl?cklich, dass sie auf die Sache mit dem Cognac verfiel.

Heute liegen die Dinge aber v?llig anders – Carolin hat keinen Liebeskummer, sondern ist schon ziemlich lange gl?cklich mit ihrem Freund Marc, der praktischerweise auch mein Tierarzt ist. Und Cognac hat sie auch keinen getrunken, auch keine andere Sorte von diesem scheusslichen Zeug namens Alkohol. Wenn ich es mir recht ?berlege, nicht nur heute nicht, sondern schon ziemlich lange nicht mehr. Daran kann es demnach auch nicht liegen.

Herr Beck hatte also Recht mit seinem Verdacht. Mein Frauchen ist krank! Und wir brauchen einen Arzt, dringend! Offenbar bin ich aber der Einzige, der die Lage besorgniserregend findet, denn weder Daniel noch Carolin wirken im

Geringsten alarmiert. Daniel klopft Caro lediglich auf die Schulter, reicht ihr dann ein Taschentuch und fragt:»Geht’s wieder?«

Sie nickt.

»Danke, alles in Ordnung. Es war nur dieser Geruch … der hat mich gerade echt umgehauen.«

Ha! Da ist es wieder! Geruchsempfindlichkeit! Mensch, Carolin, lass uns doch mal zu einem Arzt gehen, das ist doch nicht normal! Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Pansen sehr lecker riecht, war es nat?rlich nicht die erste Hundefutterdose, die Carolin in ihrem Leben ge?ffnet hat, und bisher hat es ihr nie etwas ausgemacht, am Inhalt zu schnuppern.

»Vielleicht setzt du dich einen Moment in den Sessel?«, schl?gt Daniel vor. Als keine Widerrede kommt, nimmt er Caros Hand und zieht sie sanft in das grosse Zimmer vor der Terrasse, in dem neben den beiden Werkb?nken von Carolin und Daniel auch ein gem?tlicher Korbsessel steht. Er dr?ckt Carolin in das weiche Sitzkissen und marschiert dann noch einmal in die K?che, um kurz darauf mit einem Glas zur?ckzukehren.

»Hier, ein stilles Wasser f?r die Patientin! Ich werde mich demn?chst als dein hauptamtlicher Krankenpfleger bewerben.«

»Tu das, der Job liegt dir ja offensichtlich, und mein Arzt w?re begeistert. Er hat neulich wegen meines Arbeitspensums schon mit mir geschimpft und verlangt, dass ich mich mehr schone.«

Aha. Anscheinend weiss Carolin selbst um ihren schlechten Gesundheitszustand und war schon beim Arzt. Und sollte Daniel etwa auch eingeweiht sein? Wieso weiss ich dann nichts N?heres und muss mir hier meinen Teil zusammenreimen?