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»Er hat insofern recht, als es den Franken nicht gefällt und dass sie Verstärkung holen werden«, sagte Julian. »Ansonsten bin ich anderer Meinung als Florentius. Er meint, wir sollten gar nichts tun, damit die Barbaren nicht wütend werden? Was für eine Politik soll das denn sein? Nein, wir werden ihnen zeigen, dass wir bereit sind zu verteidigen, was uns gehört. Und wenn sie Verstärkung holen, sollten wir das Kastell lieber einnehmen, bevor ihre Freunde kommen.«

Während seiner Rede hatte Julian über den Fluss zum dichten Wald hinübergeschaut. Nun drehte er den Kopf, als ein neuerlicher Schimpfwörterhagel von der Mauer auf uns niederging.

Der kurze Wintertag ging bereits dem Ende entgegen und verblasste im Zwielicht. Das Kastell hüllte sich in Dämmer. Die Köpfe der Franken zeigten sich als bewegliche Schatten über der Brustwehr; ihre fernen Stimmen klangen wie wütendes Hundegebell.

Julian wandte sich wieder uns zu und schüttelte den Kopf. »Welcher Dummkopf gibt ein Kastell auf, ohne es zu zerstören? Kein Wunder, dass die Barbaren uns verspotten, wenn wir sie in einer unserer eigenen Festungen belagern müssen!«

Tage vergingen. Es blieb kalt und grau. Wir sahen die Franken über den Fluss spähen und den nördlichen Horizont absuchen, ob ihre Stammesgenossen im Anmarsch waren. Jeden Tag forderte Julian sie auf, sich zu ergeben, und jeden Tag brüllten sie dem Boten zur Antwort Beleidigungen zu und bewarfen ihn mit Steinen.

Wir waren derweil nicht müßig, sondern schickten Pioniere durch Laufgräben an die Mauer beim Tor, unter Korbgeflecht und Ochsenfellen verborgen, um die Mauer zu untergraben, wo sie am schwächsten aussah. Doch das Fundament reichte tief – unsere Baumeister verstanden ihr Handwerk –, und die Arbeit ging nur langsam voran. Florentius kam immer wieder, um sich die Fortschritte anzuschauen, schwieg mit selbstzufriedener Miene und sorgte im Übrigen dafür, dass seine Anwesenheit bemerkt wurde.

Wir machten uns an den Bau eines Belagerungsturmes, und es trat Ruhe ein, während die Soldaten die Bäume fällten und die Zimmerleute mit Axt und Hobel zu Werke gingen. Einmal kam Oribasius zu unserem Zelt und fragte, ob wir am nächsten Morgen mit ihm und Julian ausreiten wollten.

»Aber ja«, antwortete ich. »Natürlich. Wer kommt sonst noch mit?«

»Nur du und Marcellus. Wir treffen uns bei Morgengrauen bei den Pferden.« Damit verabschiedete er sich, zog den schweren Mantel zum Schutz gegen die feuchte Witterung zusammen und ging.

»Was glaubst du, was er will?«, fragte Marcellus.

Ich zuckte die Achseln, vermutete jedoch, dass ein Zweck dahintersteckte, da es nicht Julians Art war, nur zum Vergnügen auszureiten.

Über Nacht drehte der Wind, und bis zum Morgengrauen hatten sich die niedrigen Wolken und der Nieselregen verzogen, sodass die Sonne an einem klaren blauen Himmel aufging. Wir ritten nach Osten und folgten den Wegen durch bereifte Feuchtwiesen an einem alten Kanal entlang.

Nach einiger Zeit verließen wir die Auen und gelangten auf festeren Boden. Ein Stück voraus lag ein breites, niedriges Plateau mit einem Kreis schlanker Kiefern. Sie zogen den Blick auf sich wie ein Menhir.

»Das ist die Stelle«, sagte Julian, der bis dahin kaum gesprochen hatte, und trieb sein Pferd an.

Wir ritten den Pfad hinauf und saßen ab. Ich ließ den Blick in die Runde schweifen. Im Osten schien weiß und kalt die tief stehende Sonne. Die bereiften Auen glitzerten, und in der Ferne kreiste ein Habicht. Wir banden die Pferde an; dann öffnete Oribasius seine Satteltasche und holte einen kleinen, klappbaren Dreifuß sowie eine Handvoll strohumwickelten Zunder heraus. Er stellte den Dreifuß in die Mitte des Baumkreises und machte Feuer. Julian sagte: »Dieser Tag ist Apollo gewidmet, dem Überbringer des Lichts. Wusstest du das?«

Ich zögerte und ermahnte mich, dass Julian bei all seiner Freundlichkeit der Vetter des Kaisers war, der die Tempel geschlossen und das Opfern bei Todesstrafe verboten hatte. Heutzutage war schon der Besitz eines Dreibeins verdächtig. Unter dem Notar Paulus waren in Britannien Menschen für Geringeres hingerichtet worden. Ich fragte mich erneut, warum wir hierhergeritten waren. War das eine Prüfung?

»So habe ich gehört«, antwortete ich vorsichtig.

Julian sah mich forschend an, und ich wich dem Blick nicht aus.

Dann meldete Oribasius sich zu Wort. »Julian, du tust nicht recht daran, sie warten zu lassen. Du hast sie hierhergebracht; jetzt musst du es ihnen sagen oder schweigen.«

Julian runzelte die Stirn und nickte. »Ich wusste vom ersten Tag an, als ich dich im Tempel beten sah, dass du einer von uns bist. Ich habe mich geschämt, dich heimlich zu beobachten; aber vielleicht war es die Absicht des Gottes, denn so wurde mir gezeigt, wer du wirklich bist. So etwas kommt seltener vor, als man meinen sollte.«

Er pflückte einen Zweig Heidekraut und drehte ihn zwischen den Fingern. »Zunächst riet Oribasius zur Vorsicht. Eutherius hatte gut über euch gesprochen. Doch wir mussten selbst in Erfahrung bringen, ob wir euch trauen können.«

»Ihr könnt uns trauen«, bekräftigte ich.

»Ich weiß, ich weiß. Darum habe ich euch hierhergeführt. Wahrscheinlich habt ihr euch schon gewundert. Du hast mir, wenn auch ungewollt, deine wahre Haltung gezeigt. Es ist Zeit, dass ich das Gleiche tue.«

Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Bäume, die uns wie ein Wächterkreis umgaben.

»Der Platz fiel mir auf, als wir mit dem Heer daran vorbeizogen, und ich schwor mir, hierherzukommen. Die Bäume wurden vor langer Zeit von Menschen gepflanzt. Seht ihr, wie sie angeordnet sind? Wer sie gepflanzt hat, wusste, dass hier heiliger Boden ist. Es gibt Menschen, die so etwas spüren, so wie es Menschen gibt, die unterirdisches Wasser finden. Aber zunächst einmal muss man ein offenes Auge dafür haben.«

Er ging zu seinem Pferd, um einen kleinen Lederbeutel zu holen, und stellte sich dann vor das Dreibein. Er öffnete den Beutel, nahm Myrrhekörner heraus und streute sie auf den brennenden Zunder. Sie zischten und fauchten, und kringelnd stieg violetter Rauch auf, der vor dem kobaltblauen Himmel verwehte.

»Für Apollo, den Sonnengott«, sagte er. »Als kleines Entgelt für ein großes Geschenk.« Er begegnete meinem Blick und nickte. »Jetzt weißt du es. Der Kaiser würde mich töten, wenn er es erführe. Er ist ein allzu eifriger Christ.«

Er schwieg eine Zeit lang und blickte nach Osten über die Ebene zur blassen Sonne. Dann warf er die letzten Myrrhekörner ins Feuer.

»Die Sonne ist ein passendes Bild, meinst du nicht? Denn was ist Gott, wenn nicht das Licht, das alles andere angemessen hervortreten lässt? Als ich ein Knabe war, behaupteten die Priester und Bischöfe, die alten Götter seien erlogen, bloß törichte Märchengestalten. Sie machten sich über sie lustig und fragten: Riechen die Götter die Blumen, die wir ihnen im Frühling opfern? Ist der donnernde Zeus mit seiner Hekatombe zufrieden, und riecht Helios den süßen Weihrauch? Ich kenne die Antworten auf diese Fragen nicht, aber eines weiß ich: Indem wir etwas verehren, das größer ist als wir selbst, folgen wir dem hehren Pfad, der uns zum Guten führt.« Kurz schwieg er; dann drehte er sich zu mir um und sagte: »Constantius hat meinen Vater ermordet. Wusstest du das?«

Ich nickte, denn ich hatte davon gehört. Außerdem war mir zu Ohren gekommen, dass der Kaiser Julian während seiner Kindheit auf ein fernes Gut in Asien verbannt hatte, wo er von der Welt abgeschnitten gewesen war. Jetzt erzählte er uns davon – und noch mehr.

»Auf Befehl des Kaisers wurde ich zum Christen erzogen. Ich glaubte alles, was meine priesterlichen Lehrer sagten, nahm es in mich auf wie ein Kind die Muttermilch. Wie sollte ich auch nicht? Ich kannte nichts anderes. Doch als ich älter wurde und ein wenig las, begann ich, Fragen zu stellen. Ich wollte wissen, wieso die Priester einen eifersüchtigen Mann für tadelnswert hielten, die gleiche Eigenschaft bei ihrem Gott aber als heilig betrachteten. Warum hatte ihr Gott zehntausend Jahre lang zugeschaut, wie die Menschen Götzen anbeteten, außer bei diesem kleinen Stamm in Palästina? Und warum beten sie seinen Sohn an, wenn es doch der Wille ihres Gottes ist, dass kein anderer neben ihm geduldet wird?« Er lachte, als er sich daran erinnerte. »Das sind Kinderfragen, ich weiß. Aber weil die Priester nicht darauf antworten konnten – vielleicht auch, weil ich überhaupt zu fragen wagte –, schlugen sie mich und drohten meinen Ungehorsam dem Kaiser zu melden. Also stellte ich das Fragen ein. Aber nicht das Denken. Ich behielt meine Ansichten für mich, sagte ja, wenn sie ein Ja hören wollten, und nein, wenn sie ein Nein hören wollten, wie der Sklave eines grausamen Herrn.«