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Er zog meine Hand herunter und hielt sie fest.

»Das war ein Germanenschwert«, sagte er. »Bei Straßburg. Es war dasselbe Schwert, durch das Romulus starb.«

»Das tut mir leid«, sagte ich.

Er ließ meine Hand los und zuckte die Achseln. »Es ist Krieg. Soldaten sterben.« Einen Augenblick später fragte er: »Warum kämpfst du nicht an der Seite deines Freundes?«

Ich holte tief Luft und blickte finster in den blassen Morgen. Marcellus und ich hatten oft darüber gesprochen, und es beschäftigte mich.

»Er ist bei der Reiterei, ich nicht.«

Aber Durano blickte mich weiterhin an, denn er wusste so gut wie ich, dass dies nicht die eigentliche Antwort war. Und so fügte ich hinzu: »Er ist ein besserer Reiter. Er würde ständig auf mich acht geben, anstatt auf sich selbst. Das hat er gesagt.«

Durano nickte bedächtig. »Dann tust du gut daran, hier zu bleiben. Jeder nach seinen Kräften. Die Männer erzählen Gutes über ihn. Er soll ein kühner Kämpfer sein, immer in der vordersten Reihe.«

»Das habe ich auch gehört.« Ein oder zwei Freunde, die glaubten, mir damit eine Freundlichkeit zu erweisen, hatten Marcellus’ Kühnheit in der Schlacht gelobt und mir genauestens berichtet, wie er sein Leben aufs Spiel setzte. Ich hatte mich daraufhin erkundigt, was sie von mir erwarteten, hätte es in Wirklichkeit aber lieber nicht erfahren.

Duranos nächste Frage kam wie ein Pfeil aus dem Nichts. »Liebst du ihn, Drusus?«

Ich drehte den Kopf, um zu sehen, ob er sich über mich lustig machte, aber sein schroffes Gesicht war ernst, und seine blauen Augen erwiderten meinen Blick ohne den geringsten Spott.

Deshalb antwortete ich: »Ja, ich liebe ihn. Aber ich kann ihm weder seine Kämpfe abnehmen noch ihn am Kämpfen hindern. Es gibt Dinge, da darf man nicht eingreifen, sonst zerbricht man etwas. Das weiß ich inzwischen.«

Er nickte und musterte mich schweigend. Er hatte nie viele Worte gemacht, wenn es um die wesentlichen Dinge ging. Das schätzte ich an ihm.

Nach einer Weile meinte er: »Es liegt bei den Göttern, und das ist gut so.«

Dann richtete er sich auf und streckte sich, als hätte er geschlafen, breitete die sonnengebräunten Arme mit ihren harten Muskeln und den alten Schwertwunden aus.

Ringsumher kam Bewegung in das Lager. Wir aßen unser Brot auf, wischten die Käsekrümel vom Teller und tranken die Becher leer. Kurz darauf verabschiedete ich mich und versprach, noch bis zum anderen Ufer mitzugehen, wo das restliche Heer sich mit der Vorhut vereinen sollte.

Nach einer kurzen Umarmung hielt er mich noch einmal auf und sagte, er wolle mich um einen Gefallen bitten.

»Nur zu«, ermunterte ich ihn.

Er deutete mit dem Kopf auf das Mädchen, das in der Nähe saß und nähte. »Sie hat gut für mich gesorgt, für wenig Lohn. Sie hat von Männern genug Leid erfahren. Finde einen guten Platz für sie, falls ich nicht zurückkehre.«

Ich versprach es ihm und machte ein Zeichen gegen böse Omen, was ihm ein Lachen entlockte. Dann trennten wir uns.

Bevor ich um die Ecke bog, blickte ich über die Schulter. Durano war bereits gegangen, aber das Mädchen saß noch auf dem Schemel vor dem Zelt, die Näharbeit – Duranos roter Mantel – im Schoß. Doch ihre Augen waren nicht auf die Arbeit gerichtet. Sie blickte mir nach, kühl und kühn und abschätzend.

Zwei Tage später überquerte die Vorhut den Rhein.

Ich stand neben Oribasius am Westufer und sah zu, als vor uns die Soldaten, ein Mann hinter dem anderen, über die Bootsbrücke zogen, ohne Gleichschritt, um den Steg nicht zu sehr ins Schwanken zu bringen. Am anderen Ufer, auf der Wiese am Waldrand, stellten sich die ersten Soldaten zur Verteidigungslinie auf. Vorausgeschickte Kundschafter hatten bereits gemeldet, das Gebiet hinter dem Brückenkopf sei frei. Doch eine Flussüberquerung ist eine gefährliche Zeitspanne, und die Männer waren unruhig wegen der endlosen Wälder Germaniens, in denen allerhand Schrecken lauerten.

Bis Mittag waren alle drüben. Dann trat eine Pause ein, als die Truppenteile sich nach Marschordnung zusammenfanden.

Ich hatte nach Marcellus Ausschau gehalten und entdeckte ihn jetzt. Gut aussehend und kerzengerade ritt er auf seiner braunen Stute an der Marschkolonne entlang zu seiner Schwadron. Der junge Rufus war bei ihm und redete voll froher Erwartung auf ihn ein, wobei er auf dieses und jenes aufmerksam machte. Ich schmunzelte. Dabei hätte ich eifersüchtig werden können, denn der Junge war verliebt; es war ihm nur selbst nicht bewusst. Während der letzten Tage, wann immer ich ihm begegnet war, hatte er nur noch von dem Feldzug gesprochen, und von Marcellus, der bei ihm sein würde. Eines Abends im Bett hatte ich Marcellus damit aufgezogen. Doch Rufus hatte bei seiner arglosen Unbedarftheit nichts an sich, das misstrauisch machen konnte.

Vorn gab es Bewegung. Severus, der an der Spitze des Zuges im Sattel saß, hob den Arm und gab das Zeichen; dann bliesen die Trompeter zum Abmarsch.

Ich schaute zu Julian. Er stand ein wenig abseits und spähte stirnrunzelnd zum anderen Ufer, wo das Heer nach und nach unter dem Blätterdach des Waldes verschwand. Es ging ihm gegen den Strich, dass er nicht dabei war. Er hätte die Männer selbst angeführt, hätte Severus ihn nicht davon abgebracht, indem er ihm freiheraus vorgehalten hatte, welche Errungenschaften er opferte, wenn er fiele.

Das Gebiet auf der anderen Seite wurde von Suomar beherrscht, einem alemannischen Gaukönig. Als sich der Bau der Bootsbrücke dem Abschluss näherte, hatte er eingesehen, dass wir es ernst meinten, hatte sich bei Julian eingefunden und um einen Friedensvertrag gebeten, dem Julian unter der Bedingung zustimmte, dass seinem Heer freies Geleit gewährt und die römischen Gefangenen, die als Sklaven gehalten wurden, zurückgegeben würden. Suomar erklärte sich dazu bereit, und der Vertrag wurde geschlossen. Danach hatte er uns wohlwollend zwei seiner jungen Krieger als Kundschafter angeboten, da sie den pfadlosen Wald kannten und uns führen konnten.

Ich konnte die beiden jetzt bei Severus an der Spitze des Zuges sehen – zwei blonde junge Burschen in fremdartigen Beinkleidern. Severus hatte sie nicht haben wollen. Man dürfe ihnen nicht trauen, meinte er; sie könnten die Soldaten sonst wohin führen. Aber die Zeit für Feldzüge rückte näher, und am Ende stimmte er widerwillig zu.

Nachdem das Heer abmarschiert war, saß Julian nicht müßig herum. Das ganze Jahr über hatte er geplant, die Städte und Kastelle entlang des Rheins wiederaufzubauen, und hatte Handwerker aus ganz Gallien zu sich gerufen: Landvermesser und Baumeister, Zimmerleute, Schmiede und Maurer. Doch weniger als erwartet waren seinem Ruf gefolgt, und wir waren eingeschränkt, denn derlei Fähigkeiten waren so lange nicht gebraucht worden, dass die alten Meister ihr Können nicht mehr an Lehrlinge weitergegeben hatten und ihr Wissen verschwunden war. Manchmal mussten wir lange suchen, um einen Mann zu finden, der beispielsweise einen Bogen oder eine Kolonnade bauen oder nach althergebrachter Art ein solides Dach decken konnte.

Bürgern, die bereit waren, in ihre alte Stadt zurückzukehren oder an der Grenze ein neues Leben anzufangen, versprach Julian Landbesitz in der fruchtbaren Flussebene und ließ schöne, geräumige Häuser für sie bauen. Er war voller Hoffnung. Binnen einer Generation, sagte er, werde das Grenzland florieren wie ehedem, und wenn die Kette aus Städten und Kastellen wiederaufgebaut sei, wäre Gallien wieder sicher.

Als Nächstes ging er daran, die Piraten vom Rhein zu vertreiben und den Fluss wieder zu der Handelsroute zu machen, die bis nach Britannien reichte. Dort waren den Bürgern die Schrecken germanischer Invasionen erspart geblieben, und das Land produzierte mehr, als seine Bewohner verbrauchten. Die wiederaufgebauten Städte Galliens benötigten Nahrungsmittel, und Britannien würde sie liefern.