Julians Enthusiasmus griff um sich wie Feuer in Zunder. Männer, die sich bereits an die ständigen Rückschläge gewöhnt hatten, gingen mit neuem Schwung an die Arbeit und zogen Kraft aus der Vision, die Julian ihnen vorgeführt hatte. Ich missgönnte ihm nicht, dass er sich dafür selbst ein wenig lobte. Ein Mann erkennt seine Kräfte durch das, was er erreicht, und Julian hatte bereits vieles zuwege gebracht, was andere für unmöglich gehalten hatten.
Natürlich kam von Paris keine Ermutigung; stattdessen schickte Florentius einen endlosen Strom aus Beamten, die alles bekrittelten.
Eines Abends, nachdem Julian wieder einmal einen Nachmittag mit einer solchen Abordnung vergeudet hatte, sagte er verbittert: »Weißt du, Drusus, ich würde freudig zusehen, wie Gallien überrannt wird, wenn nur diese Verordnungen und Verwaltungsverfahren dadurch ein Ende fänden.« Wir aßen in seinen Gemächern zu Abend, ein karges Mahl aus Forelle und Linsen. »Solch blinder Hochmut ist mir noch nicht untergekommen, und es gab bei Hof reichlich kleinliche, aufgeblasene Männer. Weißt du, ich habe Florentius einmal in seinem Haus in Paris besucht. Kennst du es? Man kann sich kaum bewegen vor lauter Vorhängen, Bronzestatuen und kostbaren Möbeln.«
Wir lachten. Es war allgemein bekannt, wie der Präfekt in seinem Amt reich geworden war. Seine Wohnungen in Paris waren luxuriös, aber doch nur ein kleiner Teil des von ihm zusammengerafften Besitzes. Er hatte auch eine prächtige Villa bei Vienne, wo seine Gattin, die die Kälte des Nordens verabscheute, mit zwei Kindern lebte. Es hieß auch, er besitze ein Haus in Rom, so nah beim Palatin, wie es nur irgend ging.
Julian nickte auf unser Schmunzeln hin und biss in einen Apfel.
»Ich glaube nicht«, sagte er kauend, »dass wir in den Büchern Belege dafür fänden.«
Wir gingen zu anderen Themen über und unterhielten uns eine Weile über die Bauarbeiten in den Grenzstädten.
Doch später, nachdem die Sklaven die Tische abgeräumt hatten und wir mit unseren Weinpokalen um eine einzelne flackernde Lampe saßen, sagte Julian nach längerem Schweigen: »Ich werde mir von Männern wie Florentius meine Pläne nicht durchkreuzen lassen!«
Florentius jedoch verstand es meisterlich, anderen Steine in den Weg zu legen, und war in diesem Handwerk sehr rege. Kurze Zeit später kam ein Kurier mit einem Brief von Constantius, der sich zurzeit im illyrischen Sirmium aufhielt.
Am Abend zeigte Julian mir den Brief. Der göttliche Constantius habe mit Enttäuschung vernommen, dass sein Cäsar Grund gefunden hatte, mit dem Präfekten in der Angelegenheit der Zahlungen an die Barbaren uneins zu sein. Er, Julian, möge bedenken, dass Florentius in solchen Fragen erfahren sei, und täte gut daran, sich seinem Urteil zu beugen.
Ich las die Zeilen, besah mir das große Siegel und legte den Brief beiseite.
»Also hat er sich bei Constantius beschwert«, sagte Julian. »Lange hat er nicht gebraucht.« Er zuckte die Achseln. »Aber ganz gleich, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Ich werde Constantius antworten und ihm mitteilen, dass er sein Geld für Wichtigeres sparen kann. Die Franken haben sich unterworfen, unser Heer befriedet die östliche Rheinseite, und bald werden wieder Getreidekähne auf dem Rhein fahren …« Er stockte, weil sich laute Stimmen seiner Tür näherten. »Was ist denn nun schon wieder?«, sagte er und blickte auf. Man hörte schnelle Stiefelschritte; dann flog die Tür auf, und ein Tribun im Mantel stürmte herein.
»Ja, Dagalaif, was ist denn?«
»Mein Cäsar!«, rief er atemlos. »Maudio ist draußen, zurück aus dem germanischen Wald! Es hat einen Hinterhalt gegeben.«
Wir eilten hinaus. Maudio wartete mit ein paar Reitern im Hof. Ihre Uniformen waren schmutzig, die Gesichter verschwitzt und schlammbespritzt. Ich kannte Maudio; er war einer von Marcellus’ Freunden. Ich hielt nach Marcellus Ausschau, doch er war nicht bei ihnen.
»Was ist geschehen?«, rief Julian. »Wo sind deine Leute?«
Alle riefen durcheinander.
»Ruhe!«, befahl Julian, worauf die Männer verstummten. »Maudio, du berichtest.«
Er begann, und seine Erschöpfung war ihm anzuhören. Als er einen Schritt vortrat, sah ich an seinem rechten Arm eine blutige Schürfwunde. Sie waren durch den Wald vorgerückt, berichtete Maudio, und am Nachmittag in einen engen Hohlweg gelangt, der schließlich mit gefällten Bäumen versperrt war.
»Und die alemannischen Kundschafter?«
Maudio blickte Julian stumm an, als wäre er gerade aus dem Schlaf erwacht.
»Die Kundschafter, Maudio! Die alemannischen Kundschafter. Haben sie euch mit Absicht dorthin geführt?«
»Die Kundschafter? Die waren ebenso überrascht wie wir, Cäsar.«
»Was geschah dann?«
Severus hatte sofort befohlen, Abwehrformation zu bilden. Dann erklärte einer der Kundschafter, er wisse eine andere Route, die um den Pass herum auf die andere Seite führte. Doch weil Severus eine Falle vermutete und dem Wort des Alemannen nicht trauen wollte, entschied er, den Hohlweg zu räumen und mit einer kleinen Abteilung voranzureiten, um zu erkunden, was vor ihnen lag.
»Als er nicht zurückkam, sprachen sich einige von uns dafür aus, seiner Spur zu folgen«, berichtete Maudio. »Doch es dämmerte bereits, und die Männer wurden unruhig.«
Julian hatte stirnrunzelnd zugehört. Nun fragte er: »Wer führte Befehl, nachdem Severus fort war?«
»Jovinus für die Reiterei, Cella für die Infanterie.«
»Zwei Befehlshaber.« Julian schüttelte den Kopf. »Konnten sie sich denn nicht auf einen einigen? Wo war Marcellus?«
»Bei Severus, Cäsar, zusammen mit …« Er nannte eine Reihe von Namen, von denen ich viele kannte; es waren alles Männer aus Marcellus’ Einheit.
Ich holte tief Luft und fühlte eine plötzliche Kälte in der Brust, als ich weiter zuhörte. Jovinus hatte sich dafür ausgesprochen, mit dem Heer sofort weiter vorzurücken und Severus zu suchen. Doch Cella hatte darauf bestanden, den nächsten Morgen abzuwarten, da man bei Dunkelheit alle gefährdete. Sie hatten das Für und Wider erörtert, doch es war kein guter Zeitpunkt für Uneinigkeiten zwischen den Befehlshabern, und so waren sie am Ende übereingekommen, dass Jovinus noch in der Dämmerung, solange man etwas sehen konnte, mit einem kleinen Trupp auf Erkundung ging.
»Ich war auch dabei«, sagte Maudio.
Sie hatten nicht weit zu gehen brauchen. Nach einer Meile stießen sie an einer dunklen Stelle im Wald auf einen Graben. Er war mit einem Gitter aus Zweigen und Farnwedeln getarnt. Am Grund waren zugespitzte Pfähle in den Boden gerammt.
Maudio schniefte und wischte sich mit dem Unterarm über die Augen, sodass er sich Blut ins Gesicht schmierte. »Wären wir ein wenig schneller geritten, wären auch wir in den Graben gestürzt. Aber wir waren auf der Hut und haben die Pferde langsam gehen lassen …« Ihm versagte die Stimme.
Der Mann neben ihm, Decimus, berichtete weiter. »Severus lag am Grund, noch im Sattel. Er war tot. Er muss direkt hineingeritten sein.«
»Und die anderen?«, fragte Julian leise.
»Ein zweites Pferd lag in dem Graben, das von Rufus, glaube ich, oder vielleicht von Marcellus …« Er warf mir einen zaghaften Blick zu und fügte rasch hinzu: »Aber es gab sonst keine Toten, denn Severus ritt immer voran. Jovinus vermutet, dass die anderen verschleppt wurden.«
Jemand packte meinen Arm. Es war Oribasius. Als ich ihn anschaute, war sein Blick voller Sorge. Es war typisch für ihn, selbst in einem solchen Augenblick daran zu denken, wie anderen zumute war.
Julian stellte Maudio allerhand Fragen. Ich zwang mich, zuzuhören. War das Heer unterwegs angegriffen worden? Wo befand es sich jetzt? Wie lange würde es dauern, dazuzustoßen?
Maudio antwortete mit nassen Augen und brechender Stimme, dass es keinen Angriff gegeben habe. Sie hätten sich auf sicheres Gelände zurückgezogen und ein Lager aufgeschlagen. »Dann hat Jovinus uns hierhergeschickt. Mehr weiß ich auch nicht.«