Doch dieses Barbarenmädchen, dessen Name ich nicht kannte, überrumpelte mich. Sie ließ mir keine Zeit zu überlegen, und inmitten meiner Trauer war ihre Berührung wie die Wärme des Feuers im Winter. Was sie gab, gab sie willig und mit echter Lust. Ich spürte ihren Stolz, als gehörte er zu ihrem Körper; es war ein Stolz um des Stolzes willen, eine Begegnung von Gleichen.
Später lag sie ganz nah bei mir und zeichnete mit den Fingerspitzen die harten Konturen meiner Brust nach. Ich döste dabei ein und träumte von heiteren Szenen aus meiner Kindheit, von der Jägerin Diana mit ihren Hunden und von meiner Mutter, die ich nie gekannt habe.
Am nächsten Morgen, als ich vom Badehaus zurückkam, entfuhr mir ein freudiger Aufschrei, denn Marcellus saß aufrecht in seinen Kissen. Das Mädchen flößte ihm löffelweise Hühnerbrühe ein. Sie drehte sich lächelnd zu mir um, und ich rannte los, um den Arzt zu suchen.
SECHSTES KAPITEL
Nachdem die Rheingrenze gesichert war, kehrten wir für den Winter nach Paris zurück. Im darauffolgenden Frühling schickte der Kaiser einen neuen Heermeister als Ersatz für Severus. Er hieß Lupicinus.
Julian hatte auf seine stille Art den Tod des freimütigen Severus betrauert, der mit ihm geflucht und gestritten hatte, aber nie falsch gewesen war. Ob man mit ihm einverstanden war oder nicht, man wusste immer, woran man bei ihm war, und wenn er eine andere Ansicht vertrat, sagte er das klar und deutlich.
Nicht so Lupicinus. Er hatte sich im Heer des Ostens einen Namen gemacht und war mit seinem Haushalt von Illyricum in das elegante Konstantinopel gezogen, um dort die gebührende Beachtung zu finden. Er hatte harte, selbstsichere Züge, sprach aber auf verhüllende, gekünstelte Art, sodass man immer mit dem Eindruck dastand, nicht so recht zu erfassen, was er hatte sagen wollen – was wohl genau seine Absicht war, denn das ermöglichte ihm jederzeit, eine Mitverantwortung zu leugnen, wenn etwas fehlschlug.
Da Marcellus der Reiterei angehörte, verbrachte er gezwungenermaßen mehr Zeit mit Lupicinus als ich. Schon am ersten Tag, als er ihm mit anderen Offizieren seine Aufwartung machte, entwickelte Marcellus eine Abneigung gegen ihn. Ein alter Hausdiener war zugegen und packte in einer Ecke still Lupicinus’ Gepäck aus. Angespannt und fahrig wegen seines neuen Herrn, ließ der Diener eine Glasplatte fallen, die prompt zerbrach. Lupicinus unterbrach das Gespräch mit seinen Offizieren, begab sich ohne Anzeichen innerer Erregung zu seinem Tisch, nahm den Stock, der dort lag, und ging zu dem Diener, der kauernd die Scherben aufhob. Er schlug ihn blutig und nahm dann die Unterhaltung so beiläufig wieder auf, als hätte er eine lästige Fliege totgeschlagen.
Später erzählte Marcellus mir davon. »Großvater sagte oft zu mir, dass man das Wesen eines Mannes daran erkennt, wie er die behandelt, über die er Macht hat. Solche Brutalität wäre selbst auf dem Schlachtfeld schändlich.«
Julian gegenüber verhielt Lupicinus sich tadellos, zurückhaltend und unverbindlich. Nach der Offenheit eines Severus war das ein großer Verlust. Selbst Julian, der für Intrigen kein waches Gespür besaß, war Politiker genug, um zu erkennen, dass er sich einen Streit mit seinem neuen Heermeister so wenig leisten konnte wie mit dem Präfekten. Und gerade zu der Zeit lagen Julian und Florentius sich wieder einmal in den Haaren.
Jeder wusste, dass Florentius bestechlich war. Doch in jenem Jahr brachten die Bürger Galliens nach und nach ihre Beschwerden vor Julian, dem sie vertrauten. Sie erzählten ihm, wie der Präfekt seine Macht missbrauchte, um Reichtum und Land zu erwerben, wie er Freunde begünstigte und anderen für Gefälligkeiten Gelder abnötigte und wie er sich durch die allgemeine Notlage bereicherte.
Zuerst versuchte Julian, diskret einzugreifen. Er ließ durch andere verbreiten, dass es klug sei, den Machtmissbrauch einzustellen, wer immer dahinterstecke, und äußerte die Hoffnung, der Präfekt werde die Zeit finden, die Vorwürfe zu untersuchen. Doch die ganze Angelegenheit bedrückte ihn, und er drängte sie beiseite, als er gegen die Germanen zu Felde zog.
Dann, während des Winters, erhob eine Abordnung verschiedener Provinzstädte förmlich Anklage, gestützt auf handfeste Beweise. Florentius war zu weit gegangen. Er hatte zu viele Leute gegen sich aufgebracht, und obwohl er den Klägern drohte, hielten sie an der Klage fest.
Es brauchte einige Wochen, um die ganze hässliche Angelegenheit zu entwirren. Doch schließlich, als Florentius seine üblichen Listen ausgeschöpft hatte, ohne dass die Anklage zurückgezogen wurde, und auch die Akten nicht auf unerklärliche Weise verschwinden lassen konnte, kam er zu Julian. Mit der Entrüstung eines zu Unrecht beschuldigten Mannes verlangte er, Julian solle seine Machtstellung nutzen und die Klage abweisen, bevor sie vor Gericht käme.
»Aber Präfekt«, erwiderte Julian, »hast du mir nicht versichert, es sei überhaupt nicht wahr?«
»So ist es«, antwortete Florentius.
»Dann hast du nichts zu befürchten. Für einen Mann von Stand und Ehre, der ein öffentliches Amt bekleidet, ist es sicherlich besser, wenn sich seine Unschuld erweist und die heuchlerischen Anklagen für jeden als solche offensichtlich werden. Oder bist du anderer Meinung?«
»Damit wirst du ihn nur angestachelt haben«, sagte Oribasius später, als wir alle zusammen waren und Julian von dem Gespräch berichtete.
»Möglich. Aber ich habe lange genug geschwiegen. Jetzt will er, dass ich über seinen Machtmissbrauch hinwegsehe. Das ist zu viel verlangt.«
Oribasius sollte recht behalten. Kurz darauf ging Florentius zum Angriff über.
Das wurde Julian spätestens bewusst, als der Quästor Salutius, mit dem er eng befreundet war, plötzlich an den Hof zurückbeordert wurde. Es war ein grausamer Schlag, der eigens geführt wurde, um Julian zu treffen, dem seine Freunde immer sehr wichtig gewesen waren. Salutius war einer der wenigen Männer gewesen, die er nach Paris hatte mitnehmen dürfen, und der Verlust traf ihn schwer.
Zur selben Zeit traf ein Brief von Constantius ein, in welchem er in kaltem Ton befahl, die Autorität des Präfekten nicht zu untergraben. Florentius zeigte damit, dass er Julian jederzeit schaden konnte.
Kurze Zeit später war ich an der Reihe.
Ich war gerade bei Julian in seinem Arbeitszimmer und half ihm, eine Sendung Bücher auszupacken, die Kaiserin Eusebia geschickt hatte. Obwohl Constantius’ Gattin, war sie Julian am Hof eine Freundin gewesen. Sie besaß eine prachtvolle Bibliothek und war, wie er mir erzählte, eine kluge, gebildete Frau, die seine Liebe zum Lernen teilte.
Während wir mit dem Auspacken der Bücher beschäftigt waren, unbeschwert plauderten und ab und zu innehielten, wenn Julian einen besonderen Schatz unter den Büchern entdeckte, klopfte ein Hausdiener an die Tür und meldete, der Bischof von Paris wolle Julian seine Aufwartung machen.
Julian warf einen wehmütigen Blick auf die neu gebundenen Schriften und die honigfarbenen Pergamentrollen und sagte seufzend: »Na schön, bring ihn herein.« Und zu mir, nachdem der Diener gegangen war: »Was kann der jetzt wollen?«
Der Bischof von Paris war kein Mann, dessen Gesellschaft ich gesucht hätte, obgleich er kein so niederträchtiger, intriganter Charakter war wie der Bischof von London, wie ich gerechterweise sagen muss. Er war zurückhaltend und hager, hatte ein kränkliches Aussehen und verbrachte seine Zeit allem Anschein nach mit der Armenpflege.