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Deborah trat von ihm weg. Den Blick zur Tür gewandt, wischte sie sich das Gesicht ab.»Tommy und Helen müssen etwas vergessen haben. Haben sie etwas liegen lassen?«Sie sah sich im Zimmer um.

«Ich glaube nicht.«

Es klingelte immer noch ohne Pause. Als sie ins Vestibül hinausgingen, kam Peach, der Dackel, aufgeregt kläffend aus der Küche im Souterrain heraufgeschossen. Deborah packte ihn und nahm ihn auf den Arm, obwohl er wie verrückt strampelte.

St. James öffnete die Tür. Er sagte:»Habt ihr es euch — «und brach ab, als er sah, dass weder Thomas Lynley noch seine Frau draußen standen, sondern ein Mann in einer dunklen Jacke — mit klatschnassem Haar und durchweichter Jeans, die ihm an den Schenkeln klebte — , der im Schatten des Hauses mit eingezogenem Kopf am Eisengeländer der obersten Treppenstufe lehnte.

Der Mann sah blinzelnd ins Licht und sagte zu St. James:»Sind Sie — «Er hielt inne, als sein Blick auf Deborah fiel, die mit dem Hund im Arm hinter ihrem Mann stand.»Gott sei Dank«, sagte er.»Ich glaub, ich bin ungefähr zehnmal im Kreis gefahren. Ich hab am Victoria-Bahnhof die Untergrundbahn genommen, aber in die falsche Richtung, und hab's erst gemerkt, als. dann war der Stadtplan total durchnässt. Dann hat ihn mir der Wind weggeweht. Dann hab ich die Adresse verloren. Aber jetzt — Gott sei Dank.«

Damit trat er ins Licht und sagte nur:»Debs! Es ist echt ein Wunder. Ich dachte schon, ich würde dich nie finden.«

Debs. Deborah traute ihren Ohren nicht. Mit einem Schlag war alles wieder da: die Zeit, der Ort, die Menschen. Sie setzte Peach auf den Boden und trat neben ihren Mann an die Tür, um besser sehen zu können.»Simon!«, rief sie.»Mein Gott! Ich kann nicht glauben — «Aber anstatt ihren Gedanken zu vollenden, suchte sie Gewissheit. Sie zog den Mann auf der Treppe ins Haus und sagte:»Cherokee?«Wie war es möglich, dass da unversehens der Bruder ihrer alten Freundin vor ihrer Tür stand? Aber er war es wirklich, es gab keinen Zweifel, und als ihr das klar wurde, rief sie:»Simon! Es ist Cherokee River.«

Simon schien verblüfft. Er schloss die Tür. Peach näherte sich vorsichtig dem Fremden und beschnüffelte seine Schuhe. Offenbar gefiel ihm nicht, was er dort zu riechen bekam. Er wich zurück und begann zu bellen.

«Hör auf, Peach«, sagte Deborah.»Das ist ein Freund.«

Woraufhin Simon sagte:»Wer.?«, den Hund hochnahm und ihn beruhigte.

«Cherokee River«, wiederholte Deborah.»Das ist doch richtig?«, wandte sie sich an den Mann. Sie war zwar ziemlich sicher, dass er es war, aber seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, waren immerhin an die sechs Jahre vergangen, und selbst in der Zeit ihrer Bekanntschaft war sie ihm nur etwa sechs-, siebenmal begegnet. Trotzdem sagte sie jetzt, ohne auf eine Antwort von ihm zu warten:»Komm mit ins Arbeitszimmer. Im Kamin brennt ein Feuer. Mein Gott, du bist ja völlig durchnässt. Was hast du für eine Verletzung am Kopf? Was tust du überhaupt hier?«

Sie führte ihn zu der Ottomane vor dem Feuer und nahm ihm seine Jacke ab. Die war früher vielleicht einmal wasserabweisend gewesen, jetzt aber tropfte das Wasser aus sämtlichen Fasern. Sie warf sie auf die Kaminplatte, wo Peach sie sofort inspizierte.

Simon sagte fragend:»Cherokee River?«

«Chinas Bruder«, erklärte Deborah.

Simon sah den Mann an, der zu frösteln begonnen hatte.»Aus Kalifornien?«

«Richtig. China. Aus Santa Barbara. Cherokee, was — komm, setz dich. Setz dich ans Feuer. Simon, haben wir irgendwo eine Decke? Und ein Handtuch?«

«Ich seh mal nach.«»Aber mach schnell!«, drängte Deborah, als sie sah, dass es Cherokee vor Kälte schüttelte. Sein Gesicht war so weiß, dass es einen bläulichen Schimmer hatte, und seine Unterlippe blutete aus einer kleinen Bisswunde. Dazu hatte er die Verletzung an der Schläfe, die Deborah sich näher ansah.»Da muss ein Pflaster drauf«, sagte sie.»Was ist passiert, Cherokee? Du bist doch hoffentlich nicht überfallen worden?«Dann:»Nein, sag nichts. Erst wärmen wir dich mal auf.«

Sie eilte zu dem alten Barwagen, der unter dem Fenster zur Cheyne Row stand, und goss einen doppelten Brandy ein, den sie Cherokee brachte.

Cherokee hob das Glas zum Mund, aber seine Hände zitterten so stark, dass das Glas klappernd gegen seine Zähne schlug und der größte Teil des Brandys sich über sein ohnehin schon nasses T-Shirt ergoss.

«Mist«, sagte er.»Tut mir Leid, Debs.«

Seine Stimme, sein Zustand oder die Unsicherheit beim Trinken schienen Peach nicht zu gefallen. Der kleine Dackel hielt in seiner Inspektion von Cherokees Jacke inne und begann wieder zu kläffen.

Deborah versuchte, den Hund zu beruhigen, aber er gab erst Ruhe, als sie ihn aus dem Zimmer trug und in die Küche hinunterscheuchte.»Er bildet sich ein, er wäre ein Dobermann«, bemerkte sie ironisch.»Kein Bein ist vor ihm sicher.«

Cherokee lachte leise. Dann packte ihn ein so gewaltiger Schüttelfrost, dass ihm beinahe das Glas aus der Hand gefallen wäre. Deborah setzte sich zu ihm und legte ihm den Arm um die Schultern.»Tut mir Leid«, sagte er wieder.»Ich hab die totale Panik gekriegt.«

«Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«

«Ich bin im Regen herumgeirrt und drüben, beim Fluss, voll gegen den Ast von irgendeinem Baum gerannt. Ich dachte, es hätte aufgehört zu bluten.«

«Trink den Brandy«, sagte Deborah. Sie war erleichtert, zu hören, dass ihm nichts Schlimmeres passiert war.»Dann verarzte ich deinen Kopf.«

«Ist es schlimm?«

«Nur eine Platzwunde. Aber sie muss versorgt werden. Warte. «Mit einem Papiertuch, das sie aus ihrer Tasche zog, tupfte sie das Blut ab.»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du hier bist. Was tust du denn in London?«

Die Tür öffnete sich, und Simon kehrte mit einem Handtuch und einer Decke zurück. Deborah nahm ihm beides ab, legte die Decke um Cherokees Schultern und frottierte ihm mit dem Handtuch das Haar. Es war nur wenig kürzer als damals, als Deborah mit seiner Schwester in Santa Barbara zusammengewohnt hatte, und noch genauso dicht und lockig; ganz anders als das Chinas, so wie auch sein sehr sinnlich wirkendes Gesicht mit den schwerlidrigen Augen und den vollen Lippen, um die ihn zweifellos manche Frau beneidete, ganz anders war als das seiner Schwester. Er habe sämtliche Lockgene geerbt, hatte China River oft über ihren Bruder gesagt, während für sie nur asketische Schlichtheit übrig geblieben sei.

«Ich habe zuerst versucht, dich anzurufen. «Cherokee zog die Decke fest um sich.»Das war so um neun Uhr. China hatte mir deine Adresse und die Telefonnummer gegeben. Ich dachte nicht, dass ich sie brauchen würde, aber dann hatte die Maschine wegen des Wetters Verspätung. Und als der Sturm endlich nachließ, war es zu spät, um noch zur Botschaft zu gehen. Darum hab ich dann hier angerufen, aber es war niemand da.«

«Sie wollten zur Botschaft?«Simon nahm Cherokees Glas und goss Brandy nach.»Was ist denn passiert?«

Cherokee nahm das Glas mit einem Nicken des Danks entgegen. Seine Hände waren jetzt ruhiger. Er trank, aber schon beim ersten Schluck begann er zu husten.

«Du musst erst mal raus aus den nassen Sachen«, stellte Deborah fest.»Pass auf, ich lass dir ein Bad einlaufen, und während du in der Wanne liegst, werfen wir deine Sachen in den Trockner. Einverstanden?«

«Kommt nicht in Frage. Das geht nicht. Es ist — verdammt, wie spät ist es eigentlich?«

«Jetzt mach dir mal wegen der Uhrzeit keine Sorgen. Simon, zeigst du ihm das Gästezimmer? Und sieh nach, ob du was Trocknes zum

Anziehen für ihn findest. - Keine Widerrede, Cherokee. Es macht überhaupt keine Umstände.«

Sie gingen nach oben. Während Simon nach trockenen Kleidern für den Gast suchte, ließ Deborah das Wasser einlaufen und legte Badetücher heraus. Als Cherokee sich zu ihr gesellte — in einem alten Morgenrock von Simon und mit einem von Simons Schlafanzügen über dem Arm — , reinigte sie die Wunde an seinem Kopf. Er zuckte zusammen, als sie die Haut mit Alkohol abtupfte. Sie hielt seinen Kopf fest und sagte:»Beiß die Zähne zusammen.«