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Ich bleibe liegen, lache, lache, blute. Hasan lacht und spuckt Wasser und Matsch, bis zum Grund hat er mich …, sagt er. Am lautesten lacht Sead: Herr Gelehrter! Die steht Ihnen viel besser als mir, wischt er dem Wels die Brillengläser ab. Ich lege meine Hand auf den kühlen, großen Fischkopf, streichle dem müden Gelehrten über den Rücken und die lange Bauchflosse, überlege, was von ihm ich behalten könnte, Schuppen hat er nicht und hat nichts mitgebracht.

Loslassen? frage ich

Und Hasan und Sead sind zum ersten Mal einer Meinung.

Und, was hast du behalten? fragt Opa.

Den Tag, sage ich und sehe ihn an.

Wie sich Schachspiel zu Weltpolitik verhält, warum Opa Slavko weiß, dass morgen die Revolutionen kommen und wie es sein kann, dass manchmal etwas so schwer zu sagen ist

Opa Slavko und ich werfen als Erstes einige schlafende Kühe um, dann spielen wir Schach auf einer umgefallenen Kuh, bis die Dame dem König eine scheuert und mit dem schwarzen Bauer auf einem weißen Springer nach Bulgarien durchbrennt, in die Heimat des schwarzen Springers an das Schwarze Meer. So viel schwarz-weiß!

Das kommt von der propagandistischen Schwarz-Weiß-Malerei in der Weltpolitik, Schach-Matt! sagt Opa und schlägt eine Zeitung auf, die in dreißig Jahren gedruckt werden wird. Ich helfe derweil Ur-Oma mit einer Eiche. Sie schultert die Eiche auf und kocht Eichenbrühe. Erde tropft von den Wurzeln, ich pflanze Hackfleischpflaumen hinein.

Ist Propaganda nebenberuflich Künstlerin? rufe ich von der Drina, mit einem Wels ringend. Der Wels trägt Schnurrbart und Brille, und Opa sagt: Propaganda ist der Name einer Märchenerzählerin.

Zeitungen und Opa verhalten sich zueinander wie etwas sehr Billiges, das jeder hat, zu etwas sehr Teuerem, das nur ich habe.

Aleksandar, worüber sprichst du eigentlich ständig mit der Drina? Opa setzt sich Johann Sebastians Perücke auf und korrigiert im Sportteil Roter Stern auf den ersten Tabellenplatz.

Ich flüstere es ihm zu und küsse sein Haar, als sei er der Enkel. Opa riecht nach Kreuzworträtseln auf frisch gedrucktem Zeitungspapier und reicht mir eine Packung Stela-Eis.

Schafe sind nicht wirklich zu Boden gefallene Wolken, sage ich und führe Opa die Stimme Drinas vor. Die Stimme fließt so kalt aus meiner Hand, dass Opa und ich ins Haus schwimmen und ein Bett mit Turzismen beziehen:»jastuk«,»jorgan«,»čaršaf«— Kissen, Decke, Laken. Die Türken haben ihre Sprache zu uns gebracht, sagt Opa und winkt Marica Popović zu, die vor dem Fenster vorbeifliegt, und wenn man viel Zeit miteinander verbringt, redet man irgendwann ähnlich.

Mir sagt man nach, ich rede wie mein Opa. Ein größeres Kompliment gibt es nicht.

Mandeln sind die schlimmste Körperpropaganda! Ich lege mich in das frisch bezogene Bett und huste. Ich leide an einer Mandelentzündung und verteile mir Spucke übers Gesicht, damit man von einer nochniegeweinten Menge an Tränen ausgeht und mich nicht den Penicillinspritzen ausliefert.

Essig-Kartoffel-Wickel senken wirklich das Fieber. Opa bringt mir Mandarinen und Hackfleischpflaumen ans Bett, und erklärt: das hungrige Fieber wandert in die Waden.

Walross sagt: die einzigen Wickel, die helfen, sind Schnapswickel an den Füßen, aber dafür bist du zu jung. Es gibt nichts Schlimmeres, als durch die Sohlen besoffen zu werden.

Zieh dich an, wir fahren, befiehlt Vater.

Künstler sind die unnachgiebigste Sorte Nebenberuf.

Auf dem Weg ins Krankenhaus halten wir an der Brücke, weil Ivo Andrić gerade versucht, mit einem Pferd über die Drina zu springen. Ganz Višegrad ist da, und tanzt. Im Vorprogramm liefern sich Tante Taifun und Carl Lewis ein Rennen über die Brücke. Der Nobelpreisträger gibt dem Pferd Wein zu trinken, und sie laufen an.

Ich werde niemals müde, zuzusehen, wie sich Opa rasiert. Ich halte mich am Waschbecken und bekomme eine Gänsehaut am Kopf, so still sind mein Opa und ich.

Hufe schlagen gegen den Asphalt und Ivo Andrić hebt ab.

Meinst du, er schafft es? fragt Opa und pflückt drei Tage lang Blumen für Oma.

Schwer zu sagen.

Welches Versprechen ein Staudamm halten muss, wie die schönste Sprache der Welt klingt und wie oft ein Herz schlagen muss, um die Scham zu schlagen

Francesco zog gegenüber bei der alten Mirela zur Untermiete ein, und die alte Mirela packte ihre verstaubten Schminksachen aus, stellte fest, dass das Puder zerbröselt und der Lippenstift unbrauchbar war, kaufte sich noch am gleichen Tag alles neu und zupfte mit rosigen Wangen an den Tomaten in ihrem Garten herum. Aus dem Garten konnte man prima in Francescos Zimmer sehen. An lauen Sommerabenden saß Francesco auf der Veranda, saß mit einem Riesenzirkel bewaffnet über Plänen von unserem Staudamm; er trug ein Unterhemd, und auf die Veranda konnte man vom Garten aus auch prima sehen. Die Frauen aus unserer Straße, später auch aus der ganzen Stadt, kamen vorbei, um der alten Mirela mit dem Gras, den Karotten, den Gurken und dem Kirschbaum zu helfen, ein Wunder der Botanik, was aus diesem bisschen Graugrün innerhalb von einem halben Jahr erwuchs. Edin und ich nannten Mirelas Garten einen Urwald, und Edin schwor, auf einem Kürbis eine goldene Hornotter gesehen zu haben. Meine Mutter lugte hinter den Gardinen hervor, bevor sie zur Arbeit ging, weil Francesco — bevor er zur Arbeit ging — an der Kirsche in Mirelas Garten Klimmzüge machte. Die Kirsche und die Wangen meiner Mutter blühten wie selten, also beschloss ich, mich mit Francesco entweder anzufreunden, oder ihn fortzujagen.

Eines Abends stellte ich mich an den Zaun und starrte Francescos Rücken so eindringlich an, dass mein Blick an seiner Wirbelsäule hoch in seinen Kopf kletterte und Francesco sich umsehen musste. Ich verstand ihn nicht, er verstand mich nicht. Ich zeigte auf den Ball, dann auf ihn, und sagte: Dino Zoff. Die Wette war einfach: hielt Francesco mindestens drei meiner fünf Schüsse, durfte er bleiben. Hielt er zwei oder nur einen, musste ich seine Pläne verbrennen und seinen Zirkel und sein Unterhemd im Garten bei den Erdbeeren vergraben, danach Frösche, Tauben und Katzen in seinem Zimmer einquartieren, alles kein Problem. Ließ er aber auch nur einen einzigen Schuss absichtlich durch, wollte ich unserem Metzger, Mislav Sakić, genannt Massaker, erzählen, dass seine Frau neulich unter der Kirsche ein Sommerkleidchen trug, mit ihrem Haar spielte und sehr lachte, bevor sie sich von Francescos Unterhemd verabschiedete.

So wurden Francesco und ich Freunde. Die unermüdlichen Gärtnerinnen und die süßen Kuchenbäckerinnen hatten keinerlei Interesse, Francesco vom Italienischen abzubringen — ganz im Gegenteil, also brachte ich ihm gleich am ersten Abend, nachdem er alle meine Schüsse mit Leichtigkeit gehalten hatte, einiges bei.»Ich heiße«,»ich bin Staudamm-Ingenieur «und» nein, bitte, ich bekomme wirklich keinen Bissen mehr runter «konnte er schon sagen. Ich zeigte in seinem Wörterbuch auf» Ehe«, auf» bisschen«, auf» Schnörkel «und auf» Augenbraue«. Dann zeigte ich auf meine Ohren und sagte: Simpatiko, was nicht gelogen war und italienisch klang. Francesco sprach mir nach: Ich. Bin. Ein. Bisschen. Verheiratet. Aber. Meine. Frau. Hat. Bei. Weitem. Nicht. So. Barocke. Augenbrauen. Oder. So. Sympathische. Große. Ohren. Wie. Sie.