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Opas Tod ist das Gegenteiligste von Sommer.

Den Pflaumenhunger habe ich von meiner Mutter. Neulich, als sie sah, wie sehr ich mich über die Pflaumenernte freute, erzählte sie mir, sie habe in den letzten Monaten der Schwangerschaft nur noch Eiskunstlaufen gesehen und Unmengen an Pflaumen gegessen: tagsüber Pflaumen, abends Hackfleisch mit Schokolade, zwischendurch Karotten und wenn ich Durst hatte, literweise Kaffee.

Und hier und da ein Zigarettchen, was? ergänzte mein Vater, ohne die Augen von der Zeitung zu heben.

Vater hatte meine Geburt verschlafen.

Ich bin meiner Mutter pflaumen- und hackfleischähnlich und malte für sie und mich eine Pflaume ohne Kern im Hackfleischmantel. Auch Mutter trägt heute Süß und Dunkelrot im Gesicht wie einen Bart. Wirst trotzdem zu Mittag essen müssen, warnt sie mich von der Leiter, mach mal langsamer!

Mach mal weniger, wäre der bessere Rat, denn ich habe gerade einen Weltrekord an Pflaumen gegessen. Zwei Weltrekorde Magenschmerzen habe ich jetzt, ich liege da und lasse mich umsummen.

Die Pflaume ist eine verstaubte Frucht.

Das ist das Erste, worüber du lachst, Aleksandar, sagte Mutter, als wir über die Ernte sprachen. Nach Opas Tod, sagte sie nicht.

Das sind Wege für den Arsch, nicht für ein Auto! fluchte mein Vater gestern Morgen auf der Straße nach Veletovo und sah kopfschüttelnd unter die Motorhaube unseres gelben Yugos.

Yugos sind für vier und nicht für sechs, erwiderte Mutter und steckte sich eine Zigarette an.

Daran liegt es nicht, es liegt an seinem Charakter! Ich habe kein Auto, ich habe einen Esel auf Reifen! Vater trat gegen die Felge.

Ein Esel …, setzte Mama zu einer Antwort an, entfernte sich dann aber glücklicherweise, um ihre Zigarette mit den Blumen am Wegesrand zu rauchen.

Schon bei seiner ersten Fahrt war unser damals nagelneuer Yugo auf der kurvigen Straße nach Veletovo stehen geblieben, mit laufendem Motor, als wollte er sich nur kurz die Landschaft anschauen: die Sträucher reifer Brombeeren, den Bach unter den Tannen, Farne in der Farbe der leuchtend roten Dauerwelle meiner Mutter. Vater hatte die Hände vom Lenkrad gehoben und, mehr Gas geht nicht, mit den Schultern gezuckt. Ein Teil der Strecke zu den Urgroßeltern wird seitdem jedes Mal gelaufen. Auf dem Rückweg springt der Yugo sofort an. Der Einzige, der sich niemals daran gewöhnen wird, ist mein Vater.

Während er sich gestern die Finger am Motor schwarz reparierte, versuchte ich, meinen Onkeln und Nena Fatima klar zu machen, dass man mich beim Rommé nicht gewinnen lassen muss. Die Zeit der Daumenlutscherprivilegien ist vorbei! rief ich, ich tue doch nur so, als würde ich keine vierzehn Karten auf einmal halten können, um euch in Sicherheit zu wiegen!

Ich warf mein Blatt schwungvoll in die Mitte des Steines, an dem wir hockten, um mich lauter zu machen, ohne dass meine Stimme lauter wurde. Meine Mutter war die Chefgenossin solcher Gesten. Sie konnte den Tisch verlassen, ihren Kopf schütteln, die Arme in die Seiten stemmen und die Augenbrauen so lautstark zusammenziehen, dass ich mir die Ohren zuhalten wollte.

Und du, Onkel — ich tippte Bora mit dem Zeigefinger gegen die Schulter —, wenn du mir schon in die Karten siehst, dann bitte, damit du den Buben, den du übrigens selbst gebrauchen kannst, auf der Hand behältst und nicht, um ihn mir zu servieren, ich bin doch keine Inkompetenz!

Das Wort» Inkompetenz «habe ich von meinem Vater. Er benutzt es, wenn im Fernsehen Politik gezeigt wird oder wenn er mit Onkel Miki über die Fernsehpolitik streitet.»Sympathisieren «ist ein anderes wichtiges Wort und hat schon mehrmals zu Michaufmeinzimmerschicken geführt und zu Tagelangmiteinanderkeinwortwechseln zwischen den Brüdern. Hätte ich einen Bruder, wären wir genau das Gegenteil von meinem Vater und Onkel Miki. Wir würden miteinander ernsthaft reden und trotzdem würde niemand vor unserer Lautstärke Angst haben brauchen.

Inkompetenz bedeutet: etwas machen, obwohl man keine Ahnung davon hat, Jugoslawien regieren zum Beispiel.

Onkel Bora sagte: in Ordnung, sammelte die Karten auf, mischte sie, und wir ließen die nächste Partie Nena Fatima gewinnen. Hinter uns knallte Vater die Motorhaube zu und Bora hielt ihm seine Zigarettenschachtel hin. Wir machten uns zu Fuß auf den Weg.

Mein Vater war ein Veletovo-Raucher. Die einzigen Zigaretten in seinem Leben rauchte er auf der Strecke Stehengebliebener Yugo — Haus der Urgroßeltern. Auch gestern: zwei Schachteln in zwei Stunden. In einer Pause, die wir für Onkel Bora einlegen mussten, der aus dem Schnaufen nicht mehr herauskam, malte ich unseren Yugo ohne Auspuff auf der Straße nach Veletovo. Früher Morgen, an den Gräsern glänzte der Tau, die Vögel trillerten und die Verwandten, deren Yugos niemals stehen blieben, überholten uns hupend.

Ich krümme mich vor Magenschmerzen unter einem Himmel reifer Früchte an gebogenen Ästen und muss dringend aufs Klo. Schnell den Hügel hinauf, über die Veranda, wo Onkel Bora Plastiktischdecken in die Tische nagelt. Als heute Morgen entschieden wurde, wer hier bleibt und pflückt und wer auf der Veranda für die Feier aufbaut, wandte er sich als einziger Mann schwerfällig zum Gehen. Tante Taifun rief ihm hinterher: Einbisschenkletternwürddirguttun! Wie schnell ihre Zunge war! Wörter, die erst die eigenen Sätze, dann alles Zuhören überholten!

Mir würde es vielleicht gut tun, aber denk doch mal an die armen Bäume, winkte ihr Mann ab und schleppte seine hundertfünfzig Kilo den Hügel hinauf. Und als wollte er seine Meinung über Pflaumen im Allgemeinen äußern, putzte er einen Apfel am Ärmel ab und biss mit einer Gewalt hinein, dass der Apfel auseinander brach und der Saft ihm über beide Doppelkinne lief. Unerschrocken verzog der große Mann das Gesicht und schloss genüsslich die Augen.

Dasistdochdiehöhe! Dasistdochdiehöhe! Tante Taifun raufte sich das Haar. Wir starrten gebannt auf Dampfwalze und seine schwangere Naturkatastrophe, so schön muss die Liebe sein, seufzte Ur-Oma und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

Meine Tante spricht eine deutsche Autobahn schnell. Seit Jahren stampft Onkel Bora in Deutschland Teer mit einer Dampfwalze zu schnellsten Autobahnen der Welt, und Tante Taifun kellnert in einer Raststätte. Fragt mich jemand, was mein Onkel beruflich macht, erwähne ich die Walze nicht. Er ist Gastarbeiter, sage ich. Ich wundere mich zwar, dass es Orte gibt, wo Gäste arbeiten müssen, bei uns lässt man einen Gast nicht einmal abwaschen, aber unser Nachbar, Čika Veselin, hatte Bora einmal eine Dampfwalze genannt, der fette Geizsack bräuchte gar keine Maschine, der müsste sich nur hinlegen und rollen. Ich bat meine Mutter, Onkel Bora Diät beizubringen, damit er nicht weiter anschwoll und damit die Leute nicht so schlecht über ihn redeten. Sie fand sich damals selbst zu dick und machte eine Pflaumen-Hackfleisch-Diät. Sie sagte: die Leute sind nicht gemein, weil Bora dick ist, sondern weil sie glauben, dass er einen D-Mark-dicken Geldbeutel hat.

Gastarbeiter sieht man nur in der eigenen Familie gern.

Onkel Bora nagelt jetzt in Zeitlupentempo die Tischdecken in die Tische, während Tante Taifun unten am Hügel zwischen den Bäumen wirbelt und an den Ästen rüttelt, Pausebrauchenwirnichtweiterweiterweiter! Bora pfeift aus dem Hals wie Papas Kreissäge, kurz bevor sie ausgeht.

Das Besteck klimpert im Plastikeimer, den Ur-Oma auf den Tisch neben den Tellerstapel knallt. Sie stellt sich mir breitbeinig in den Weg, ganz nach ihrem Vorbild, dem Chefgenossen aller Cowboys — Marschall Rooster, allerdings mit Gabeln statt Colts an der Hüfte: wohin Verbrecher? Sie trägt sogar ihre Augenklappe. Jedes Mal, wenn wir in Veletovo zu Besuch sind, muss ich mir mit Ur-Oma ansehen, wie sich der mürrische Trunkenbold Rooster und Miss Ross in die Haare kriegen.

So, genauso, habe ich früher ausgesehen, nur mit rosiger Haut, seufzt Ur-Oma und zeigt auf Miss Ross. Ur-Omas Tränen beim Abspann folgt das High Noon auf der Veranda. Im Winter, wenn die Grillen nicht zu hören sind, übernimmt Ur-Oma ihre Rolle. Sie presst die Lippen zusammen und zirpt Furcht erregend. Ihre Fingerpistolen trägt sie tief, zückt sie immer schneller als der ewige Grünschnabel. Ur-Oma ist schneller als der Wind und kann mit ihrer Augenklappe spöttischer dreinblicken als John Wayne.