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Es gibt Rohwurst mit rotem Paprika und Knoblauch, es gibt geräucherten Schinken, es gibt geräucherten Speck, es gibt Ziegenkäse, Schafskäse, Kuhkäse, es gibt gebratene Kartoffeln mit Lauch, es gibt gekochte Eier; Zahnstocher gibt es, die Zahnstocher stecken in der Rohwurst, im Schinken, im Käse, in den Eierscheiben; es gibt Weißbrot, es gibt goldenes Maisbrot, immer gebrochen wird das Brot, niemals geschnitten; es gibt Knoblauchbutter, Leberpastete, Kajmak, es gibt Kohlsuppe, Kartoffelsuppe und auf der Hühnersuppe schwimmen daumengroße Fettaugen, das Brot wird in die Suppen getunkt; es gibt Bohnenbrühe, ein Gräuel! es gibt gebratene Bohnen, es gibt Bohnensalat; es gibt reis- und hackfleischgefüllte Weißkrautrouladen, es gibt hackfleischgefüllte Paprika, hackfleischgefülltes Hackfleisch, Hackfleisch und Pflaumen: Mutter und ich sehen uns an, sie fragt nach Schokolade; es gibt Schokolade, es gibt Hähnchen, es gibt Gurkensalat, so ein dermaßen unbeachtetes Essen wie diesen Gurkensalat habe ich noch nie gesehen; es gibt warmes Baklawa, der Sirup aus Zucker, Zimt, Honig und Nelken trieft über die Finger auf die Hose, auf das Hackfleisch; so süß, schreit jemand, so süß, es ist Onkel Bora, er steht vor lauter Süßgenuss auf — im Stehen und mit geschlossenen Augen leckt er sich die Finger, so süß! nicht auszuhalten! aufhören! mehr!; es gibt Pflaumen über Pflaumen, es gibt Pflaumenstrudel mit Vanillezucker und Pflaumenkompott, es gibt gebratene Pflaumen mit Zuckerguss; es gibt Melonen, die Fünf-Mann-Musikkapelle aus Dilettanten macht ausgerechnet für die Melonen eine Pause, es ist mir ein Rätsel, warum man sie nach ihrem misslungenen Kloauftritt wieder eingeladen hat, aber sie sind da, stürzen sich auf die Melonenstücke, schlürfen, schlotzen, schmatzen, überhaupt schlürfenschlotzenschmatzen auf einmal alle und als Erstes nach der Pause spielt die Kapelle» In der schönen, alten Stadt Višegrad«. Aaah! fährt aber Ur-Opa dazwischen vor Lust und Wut und spuckt eine Kanonade Melonenkerne in Richtung Trompete, aah! das geht nicht, so etwas Zartes doch nicht zur Melone, ihr Dilettanten! Dabei ist er längst beim Lamm — links ein Melonenboot, rechts eine Lammkeule, und dann abwechselnd nagen, aah! Ja, es gibt auch Lamm, das graue Fleisch türmt sich auf den Blumentellern, und gleich wird es auch Spanferkel geben: Tante Taifun dreht den Spieß, gießt Bier über den Schweinerücken und Wein über den Schweinebauch, vor Hitze und Anstrengung rotwangig, einenstuhlbrauchichnicht, und das blonde Haar fliegt ihr um den Kopf. Tante Taifun kurbelt mit beiden Händen so wild, dass Asche unter dem Spanferkel stiebt, bistsduzulangsambrätsnichtharmonisch. Griebe aus gekochtem, gesalzenem, gepresstem Schweinefett gibt es, es gibt gebratenen Schweinedarm, es gibt Schweinefüße und — ohren, mit Gelee überzogen, es gibt nichts, was es nicht gibt.

Ich schleppe den Eimer mit der Melonenrinde zum Schweinegehege und bewerfe die Schweine damit. Schweine stört das nicht, sie haben dicke Haut, sie essen die Rinde und wühlen mit ihren weichen Schnauzen im Matsch. Ich treffe die fetteste Sau am Bauch. Sie grunzt und kümmert sich nur um die Rinde, Abdrücke meiner Zähne auf ihrem Futter, so ist das Schweineleben. Das nächste Mal, wenn wir ein Schwein schlachten, darf ich mitjagen, darf es mit zu Boden drücken, darf es aufspießen — hinten rein, unter der Wirbelsäule entlang und durch das Maul raus. Ur-Opa versprach mir das heute. Den Magen ausschaben und auswaschen darf ich zwar auch, ich möchte aber gar nicht mit meinen Händen dort hineingreifen, wo die Melonenrinde sein könnte. Auch das Messer lasse ich lieber meinen Vater oder meine Onkel führen. Kehle durchschneiden sei effektiv, meint mein Vater, Onkel Bora schüttelt den Kopf: wo das Herz ist, da ist es am effektivsten, Onkel Miki ist alles egal, wenn nur das Schwein am Ende ordentlich tot ist.

Ginge es nach Ur-Opa, dürfte ich sowieso viel mehr machen, nicht nur Schweine schlachten. Ich könnte essen, was ich wollte und müsste nicht zur Schule. Ur-Opa sagt: in der Stadt werden aus Jungen keine Männer und in der Schule aus den Dummen keine Großherzigen. In der Stadt bekommt man eine schlechte Nase und sieht zwei Meter weniger.

Ur-Opa ging nur bis zum Buchstaben» t «in die Schule, weil danach nichts Wichtiges mehr kommt. Nur dreimal verließ er sein Dorf: zweimal, um Krieg zu führen und einmal, um eine Frau zu erobern. Drei Siege erlangte er. Stolz, unverwüstlich, immer singend, immer den Tränen oder dem Gelächter nah. Die Familie erzählt jedem Gast gerne, wie Ur-Opa letztes Jahr zu Ostern — immer ist es letztes Jahr zu Ostern gewesen — einen seiner Ochsen an den Hörnern packte, ihn mit einer Hand in die Knie zwang, mit der anderen das erste Maiglöckchen des Jahres für Ur-Oma pflückte und danach allein in nur vier Tagen den Acker umpflügte. Der Ochse, den ein Mensch so erniedrigen kann, soll er gesagt und dem Ochsen die Nüstern getätschelt haben, verdient es nicht, seine Hufe über meinen Boden zu ziehen. Wenn man ihn fragt, wie alt er ist, sagt Ur-Opa: ich bin noch jung, ich habe noch nie ein Schiff gesehen und noch nie einem Lügner Ehrlichkeit beigebracht.

Wenn ich so alt bin wie mein Ur-Opa Nikola, werde ich ein Mal Segel gesetzt haben, ein Mal einen Lügner begrüßt und ihn als ehrlichen Menschen verabschiedet haben, ein Mal einen Esel überredet haben, meinen Weg zu gehen und ein Mal so gesungen haben wie Ur-Opa, mit einer Stimme kräftig wie ein Gebirge, ein Schiff, eine Ehrlichkeit und ein Esel zusammen.

Zurück zu Tisch, denn es gibt Kaffee, und Ur-Oma liest allen aus dem Kaffeesatz die Zukunft. Mir verheißt sie eine unerfüllte Sehnsucht und drei große Liebschaften in den nächsten drei Monaten. Mutter lacht, ruft dazwischen: er ist doch viel zu jung, und Ur-Oma tadelt mich, dass ich so jung Kaffee trinke und korrigiert sich auf zwei Liebschaften und eine Affäre — die aber wird eine unkomplizierte Künstlerin sein, so grüne Augen hast du noch nicht gesehen!

Für keine Zukunft braucht sie mehr als zwei Minuten, für Onkel Mikis braucht sie dreißig, wiegt sich hin und her und beendet keinen Satz; dann gibt es auf einmal Börek, es gibt Pita mit Kartoffeln, Pita mit Brennnesseln, Pita mit Kürbis, es gibt Walnusskuchen und einen Schluck Rotwein für mich; es gibt keine Reihenfolge, es gibt kein Hintereinander, es gibt ständig jemanden, der sagt, er könne nicht mehr, er bekomme unmöglich noch einen Bissen herunter, es gibt abwehrend fuchtelnde Hände und niemanden, der das Gefuchtel ernst nimmt, es gibt kein Zurück, es gibt beleidigte Gesichter, wenn jemand ernsthaft droht, beim nächsten halben Huhn sterben zu müssen; der Wein gibt dir zäheres Blut, sagt Ur-Oma und schenkt mir nach, wenn uns niemand zusieht; zu allem gibt es Weißbrot, Onkel Bora belegt kaltes Weißbrot mit warmem Weißbrot, sagt: ich bin im Weißbrothimmel, danach gehts rüber ins Apfelweinparadies — das allerdings macht am Tag der Pflaume nur Probleme, das weiß Onkel Bora auch und lacht, als ihm Ur-Opa Sliwowitz ins Gesicht hält: wie willst du ihn trinken, freiwillig oder durch die Nase? Es gibt Bier, Weinbrand, es gibt Cognac, Eis klimpert in den Gläsern. Leere Teller gibt es niemals. Und es gibt Nataša, es gibt diese Nataša im Blümchenkleid, mit nackten Füßen und roten Wangen wie im Fieber. Es gibt Nataša schon den ganzen Abend, sie jagt und jagt und jagt mich, komm geküsst! ruft sie immerfort, komm geküsst! Sie findet jedes meiner Verstecke. Ich fliehe unter den Tisch, entschlossen, dort ein Jahrhunderttausend zu warten, bis sie von mir ablässt mit ihrer Zahnlücke und ihren gespitzten Lippen, komm geküsst, komm geküsst! Ausgerechnet der lautere Marschall Rooster verrät mich ruchlos, unter dem Tisch ist er, schnapp ihn dir, so sind die Jungens aus der Stadt, fürchten sich vor uns, verkriechen sich zwischen die Tischbeine! Taucht Nataša also zu mir ab und robbt auf mich zu, und wie sie da so robbt, muss ich an Petak denken, Ur-Opas Schäferhund, wie er sich heute auf das quietschende, blutende Ferkel gestürzt hatte. Komm geküsst, komm geküsst, und die laute Trompete und die singende Familie und niemand da, der Nataša einen Tritt gibt. Ich weiche zurück, schon mit dem Rücken an den Beinen meiner Mutter, als es das Gebrüll gibt. Es gibt eine brüllende Männerstimme und plötzlich keine Musik mehr. Es gibt keinen Gesang. Es gibt eine Stille.