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Die Lady Eilin lauschte mit weit aufgerissenen Augen, während Hellorin von den gigantischen Moldan sprach, elementaren Geschöpfen aus lebendigem Stein, die in einer seltsamen, aber für beide Seiten einträglichen Verbindung mit den Dwelven, dem Zwergenvolk, gelebt hatten. Die Dwelven hatte sich in den Leibern der Berge ein Zuhause geschaffen und gingen hinaus in die Welt, um die Augen, Ohren und Glieder der Berge zu sein.

»Als die Magusch die Moldan schwächen wollten, welchen besseren Weg hätte es da gegeben, als sie von den Dwelven zu trennen und letztere in die Nordländer zu verbannen, wo sie die Moldan, die im Süden lebten, nicht mehr erreichen konnten?« Hellorins Stimme war bitter. »Und welch passende Gerechtigkeit, zu diesem Zweck das Meer zu benutzen; denn es war ein Moldan, ein wahnsinniger, wild gewordener Riese, der die Macht des Erdenstabs an sich gerissen und sie benutzt hat, um die Landmasse, zu der einst sowohl Norden als auch Süden gehörten, zu zerbrechen. Er war schuld daran, daß das Meer sich zwischen Nord und Süd drängte und das Land in der Mitte unter seinen Fluten begrub, so daß viele Tote zu beklagen waren, sowohl bei den Magusch als auch bei den Sterblichen.«

Eilin runzelte die Stirn. »Das wußte ich nicht«, sagte sie. »Diese Erzählungen über die Alten sind aus unserer Geschichte verschwunden.«

Hellorin lachte verdrossen. »Was für Narren müßt ihr sein, solch lebenswichtiges Wissen zu verlieren. Lady, hast du denn keine Ahnung, daß der Wahnsinnige – der Moldan, der für diese Zerstörung die Verantwortung trägt – nun der letzte seiner Rasse ist, der im Norden lebt? Und wußtest du nicht, daß er immer noch lebt, in Ketten und von Zaubersprüchen gebannt? Wußtest du nicht, daß er in eben dem Felsen lebt, auf dem ihr Magusch eure Zitadelle erbaut habt?«

»Was?« ächzte Eilin. »In Nexis? O ihr Götter, wenn der Erzmagusch das herausfände …«

»Wir müssen beten, daß er das nicht tut«, pflichtete Hellorin ihr grimmig bei. »Miathan hat die Welt schon mit seiner verwerflichen Beschwörung der Nihilim in furchtbare Gefahr gebracht. Ein Moldan, der ohnehin bereits wahnsinnig ist und einen Groll hegt, der Jahrhunderte überdauert hat, würde sich mit seiner Rache vielleicht nicht auf die Magusch beschränken, die ihn gefangengenommen haben.«

Der Gedanke an den Moldan, der in all den Jahren unter der Akademie gelebt hatte, war für Eilin zu erschreckend, um ihn weiterzudenken. Um sich davon abzulenken, wandte sie sich wieder an den Waldfürst. »Du sagst, daß meine Vorfahren das Meer gegen die Moldan eingesetzt hätten«, fragte sie ihn, »aber was hat das mit den Phaerie zu tun?«

Hellorin zuckte mit den Schultern. »Wenig, um die Wahrheit zu sagen«, gab er zu. »Aber als der Moldan das Meer schuf, das es vorher nicht gegeben hat, da fanden die Magusch heraus, daß die Macht der Alten Magie das Salzwasser nicht überwinden konnte. Außerdem hatte diese Katastrophe die Magusch davon überzeugt, daß elementare Wesen wie die Phaerie zu gefährlich waren, um in der Welt frei herumlaufen zu dürfen. Sie benutzten die Artefakte der Macht, um uns zu verbannen – und als ob es damit noch nicht genug gewesen wäre, nahmen sie uns auch noch unsere Streitrösser.«

Ein sehnsüchtiges Lächeln ließ den feingemeißelten Mund des Waldfürsten weicher erscheinen. »Was waren das für Tiere! Welches Feuer hatten sie, welche Kraft, welche Schönheit und welchen Kampfgeist! Sie waren flink und stark und furchtbar im Kampf – und sie konnten selbst dem Wind davonlaufen.« Hellorin seufzte, und seine Augen bewölkten sich bei dieser alten Erinnerung. »Im Winter, wenn der Mond voll war, ritten wir wie Kometen über das Land, zusammen mit unseren großen Hunden, Hunden wie meinem Barodh, die neben uns herliefen, und das Fell unserer Pferde glitzerte wie Mondlicht. Die Sterblichen schlossen ihre Tiere weg und versteckten sich zitternd in ihren Betten, wenn die Wilde Jagd im Gange war.«

Hellorins Stimme zitterte. »Der Verlust unserer Pferde war gleichbedeutend mit dem Verlust unserer Freiheit. Vielleicht war das auch der Grund, warum die Magusch sie uns genommen haben – aber vielleicht, wie ich eher vermute, wollten sie sie selbst benutzen. Als hätte ihnen das jemals gelingen können! Aber wie dem auch sei, als sie uns in die Verbannung schickten, nahmen sie uns unsere Reittiere, die wir so sehr liebten, und schickten sie nach Süden, auf die andere Seite des Meeres, wo unsere Magie sie nicht erreichen konnte. Wir hatten nur noch Zeit für einen letzten, verzweifelten Zauber, um unseren Feinden einen Strich durch die Rechnung zu machen, bevor wir unsere Streitrösser für alle Zeiten verloren.«

»Was habt ihr gemacht?« fragte Eilin atemlos.

»Um unsere kostbaren Tiere nicht den Magusch oder den Sterblichen in die Hände fallen zu lassen und ihnen zu helfen, in einem fremden Land zu überleben, gaben wir ihnen Menschengestalt«, erzählte Hellorin ihr. »Sie erhielten – und soweit ich weiß, besitzen sie sie immer noch – die Fähigkeit, Menschengestalt oder Pferdegestalt anzunehmen, ganz wie es ihnen beliebte.« Er warf ihr einen traurigen Blick zu. »Wir werden sie nicht wiederbekommen, solange wir nicht aus unserer Verbannung befreit werden – und selbst wenn das eines Tages passieren sollte, könnte es immer noch schwierig sein, denn wir Phaerie können das Meer nicht überqueren. Und wer weiß, wie sich in diesen langen Jahrhunderten ihre Rasse verändert hat?« Seine Stimme wurde hart. »Wirklich, Eilin, wenn diese Einmischung der Magusch uns für alle Zeiten unsere Pferde gekostet hat, dann reichen nicht einmal endlose Ewigkeiten, um uns dafür zu entschädigen!«

Seine Worte, die die Erinnerung an die bittere Feindschaft weckten, die so lange zwischen seinem Volk und ihrem bestanden hatte, waren genug, um das zarte Band, das sich zwischen dem Waldfürsten und der Magusch gesponnen hatte, zu zerreißen. Eilin runzelte die Stirn, und plötzlich schien ihr der Abend dunkler zu werden. Hellorin schauderte bei dem Gedanken daran, welchen Schaden er unwillentlich angerichtet haben mochte. Die Erdmagusch faltete ihre Hände auf dem Schoß. »Da wir gerade von Wiedergutmachung sprechen, mein Fürst. Es gibt noch etwas, das ich dich schon lange fragen wollte.«

Hellorin, dessen Neugier geweckt war, nickte. »Sprich weiter, Lady.«

»Ich … erinnerst du dich daran, wie ich dich vor so vielen Jahren gerufen habe, um mein Kind und den Schwertkämpfer Forral zu finden, die sich beide in einem Schneesturm verirrt hatten?«

»Jawohl, Lady, ich erinnere mich gut daran – das war das erste Mal, daß wir einander begegnet sind.«

»Du hast mir damals gesagt, was ich bereits wußte – daß man, wenn man es mit einem Phaerie zu tun hat, immer einen Preis zahlen muß. Du hast gesagt …«

»Vergiß nicht, daß diese Angelegenheit zwischen uns noch nicht erledigt ist. Wir werden uns wiedersehen, Lady – und wenn es soweit ist, werde ich meine Schuld einfordern«, ergänzte Hellorin.

Eilin zuckte zusammen. »Warum hast du das gesagt?« wollte sie wissen. »Woher wußtest du, daß wir uns wiedersehen würden? Wenn ich unser Abkommen hätte brechen wollen, hätte ich nichts anderes tun müssen, als dich einfach nie wieder zu rufen.«

»Was du ja auch nicht getan hast«, tadelte der Waldfürst sie. »Diesmal war es mein Sohn D’arvan, der mich gerufen hat.«

»Und dank dieser Tatsache schulde ich dir jetzt noch etwas, weil du mir das Leben gerettet hast.« Eilin sah den Phaeriefürsten ängstlich an. »Wie lange wirst du mich noch hinhalten? Ich bin eine Gefangene hier, ganz gleich wie angenehm die Gefangenschaft sein mag. Wie kann ich Ruhe finden, wenn ich nicht weiß, was du eines Tages von mir verlangen wirst?«

Hellorin seufzte. »Eilin, ich verstehe deine Besorgnis. Früher oder später muß ein Preis gezahlt werden, denn ich kann unser Gesetz nicht ändern. Ich konnte ja nicht einmal meinen Sohn und seine Liebste schonen, die für meine Hilfe einen herzzerreißenden Preis zahlen mit ihrer endlosen Wache im Wald, um das Schwert der Flamme zu beschützen.« Er schüttelte den Kopf. »Aber leider kann ich dir nicht sagen, was ich von dir verlangen werde. Das ist keine Grausamkeit von mir – ich habe einfach keine Ahnung, was ich von dir erbitten soll, was an sich schon merkwürdig ist, so als wäre es Teil eines Schicksals, das ich noch nicht vorhersehen kann. Als wir einander das erste Mal begegnet sind, habe ich die Magusch gehaßt – ich kannte dich kaum und hatte noch keine Ahnung von der Existenz meines Sohnes. Als du mich um Hilfe gebeten hast, gingen mir so viele Gedanken durch den Kopf … Mich an deiner Rasse zu rächen, durch dich … Aber …«Er breitete die Hände aus. »Ich konnte es nicht. Die Tilgung deiner Schuld muß also noch warten, bis ich irgendwann in der Zukunft deine Hilfe brauche.«