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Er wählte ein Bierhaus direkt neben einem der öffentlichen Commensal-Kemmerhäuser. Und er bestellte kein Bier, sondern Lebenswasser. Er wollte keine Zeit verlieren. Nach dem ersten Glas streichelte er meine Hand, legte seine Wange an die meine und flüsterte:»Unsere Begegnung ist kein Zufall, ich habe auf Sie gewartet: Ich sehne mich so sehr danach, Sie heute abend als meinen Kemmering zu haben!«Er nannte mich sogar bei meinem Vornamen. Ich schnitt ihm nur deshalb die Zunge nicht ab, weil ich, seit ich Estre verlassen habe, kein Messer mehr bei mir trage. Statt dessen erklärte ich ihm, daß ich beabsichtige, solange ich im Exil sei, abstinent zu leben. Er gurrte und schmeichelte und hielt meine beiden Hände. Nicht lange, und er befand sich in der Vollphase einer Frau. Gaum ist sehr schön in der Kemmer, und er verließ sich auf diese Schönheit, wie auch auf seine sexuelle Hartnäckigkeit. Vermutlich wußte er, daß ich, als Anhänger der Handdara, nie Drogen nehmen würde, die die Kemmer unterdrücken, sondern zur Einhaltung der Abstinenz allein auf meine Willenskraft angewiesen war. Dabei vergaß er allerdings, daß Abscheu nicht weniger wirkungsvoll ist als eine Droge. Ich entwand mich seinen Berührungen, die natürlich auch auf mich eine gewisse Wirkung ausübten, schlug vor, er möge es doch mit dem öffentlichen Kemmerhaus nebenan versuchen, und ging. Er musterte mich mit mitleiderregender Traurigkeit, denn er befand sich, aus welchem hinterhältigen Grund auch immer, in echter Kemmer und war hochgradig sexuell erregt.

Glaubte er wirklich, daß ich mich mit seinem Kleingeld kaufen ließe? Er muß den Eindruck haben, daß ich sehr stark beunruhigt bin. Was mich in der Tat unruhig macht.

Diese verdammten, unsauberen Menschen! Es gibt nicht einen einzigen sauberen unter ihnen.

Odsordny Susmy. Heute nachmittag hat Genly Ai in der Halle der Dreiunddreißig gesprochen. Die Öffentlichkeit war nicht zugelassen, Rundfunkübertragungen wurden nicht genehmigt, doch Obsle lud mich hinterher ein und spielte mir das Band vor, das er während der Sitzung aufgenommen hatte. Der Gesandte sprach gut, mit bewegender Aufrichtigkeit und Dringlichkeit. Er hat eine gewisse Arglosigkeit an sich, die ich bis jetzt eigentlich immer für dumm und einfältig gehalten habe, aber diese scheinbare Naivität läßt soviel geschultes Wissen und Zielbewußtsein erkennen, daß es mir Bewunderung abnötigt. Durch seinen Mund spricht ein kluges und edelmütiges Volk, ein Volk, das uralte, tiefe, schreckliche und unvorstellbar unterschiedliche Lebenserfahrungen zu einer einzigen, großen Weisheit verwoben hat. Er selbst jedoch ist jung: ungeduldig, unerfahren. Er steht höher als wir und sieht dadurch weiter, doch auch er selbst ist eben nur so groß wie ein Mensch.

Er spricht jetzt besser als damals in Erhenrang, schlichter, gewählter. Er hat, wie wir alle, sein Fach gelernt, indem er es ausübte.

Seine Ansprache wurde immer wieder von Mitgliedern der Dominationspartei unterbrochen, die lauthals verlangten, der Präsident möge diesen Verrückten zum Schweigen bringen, ihn hinauswerfen und zur Tagesordnung übergehen. Csl. Yemenbey lärmte am lautesten, vermutlich impulsiv.»Schluckt ihr denn wirklich dieses gichymichy?« grölte er immer wieder lachend zu Obsle hinüber. Nach Obsles Aussage wurden die geplanten Unterbrechungen, die einen Teil des Tonbandes schwer verständlich machten, von Kaharosile geleitet.

Aus der Erinnerung:

Alshel (Präsident): Mr. Ai, wir finden diese Informationen und die Vorschläge von Mr. Obsle, Mr. Slose, Mr. Ithepen, Mr. Yegey und anderen überaus interessant, überaus anregend. Wir brauchen jedoch handfestere Beweise (Gelächter). Da der König von Karhide Ihr… das Fahrzeug, mit dem Sie gekommen sind, an einem Ort verschlossen hat, an dem wir es nicht besichtigen können, wäre es da, wie vorgeschlagen, vielleicht möglich, daß Sie Ihr… Ihr Sternenschiff herunterholen? Oder wie nennen Sie es?

Ai: Sternenschiff ist eine sehr gute Bezeichnung, Sir.

Alsheclass="underline" So? Aber wie nennen Sie es denn?

Ai: Nun, technisch gesehen, ist es der bemannte, interstellare Cetianische Flugkörper NAFAL-20.

Zwischenruf: Sind Sie sicher, daß es sich nicht um St. Pethethes Schlitten handelt? (Brüllendes Gelächter)

Alsheclass="underline" Aber bitte, meine Herren! Ja. Also, wenn Sie dieses Schiff herunterholen könnten — sozusagen auf festen Boden -, damit wir handfeste…

Zwischenruf: Handfesten Fischdreck! — So ein Blödsinn!

Ai: Ich möchte das Schiff sehr gerne herunterholen, Mr. Alshel — als Beweis für unseren beiderseitigen aufrichtigen guten Willen. Ich warte nur noch darauf, daß Sie dieses Ereignis vorher öffentlich ankündigen.

Kaharosile: Commensalen, seht ihr denn nicht, was dies alles ist? Das ist nicht nur ein dummer Scherz. Das ist eine beabsichtigte öffentliche Verhöhnung unserer Gutgläubigkeit, unsere Einfalt, unserer Dummheit — veranstaltet mit unglaublicher Unverschämtheit von diesem Mann, der heute hier vor uns steht. Ihr wißt, daß er aus Karhide kommt. Ihr wißt, daß er ein karhidischer Agent ist. Ihr könnt sehen, daß es sich bei ihm um einen sexuell Anomalen jenes Typs handelt, wie sie in Karhide unter dem Einfluß des Dunklen Kultes unbehandelt herumlaufen und gelegentlich für die Orgien der Weissager sogar künstlich geschaffen werden. Und trotzdem braucht er lediglich zu sagen: ›Ich komme aus dem Weltraum‹, und einige von euch schließen wortwörtlich beide Augen, hören nicht auf ihren Intellekt und glauben daran! Niemals hätte ich so etwas für möglich gehalten, usw. usw.

Nach diesem Tonband zu urteilen, nahm Ai den Spott und die Angriffe unglaublich gelassen hin. Obsle sagte, er habe sich gut gehalten. Ich hatte draußen vor der Halle gewartet, um es nicht zu verpassen, wenn sie nach der Sitzung der Dreiunddreißig herauskamen. Ai zeigte eine grimmige, nachdenkliche Miene. Mit Recht.

Meine Machtlosigkeit ist mir unerträglich. Ich bin derjenige, der diese Maschinerie in Gang gesetzt hat, und nun kann ich ihren Lauf nicht mehr beeinflussen. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, schleiche ich durch die Straßen wie ein Dieb, um einen Blick auf den Gesandten werfen zu können. Für dieses sinnlose, entwürdigende Leben habe ich meine Macht, mein Geld und meine Freunde geopfert. O Therem, welch ein Narr du doch bist!

Warum kann ich mein Herz nie an eine Sache hängen, die im Bereich des Möglichen liegt?

Odeps Susmy. Das Sendegerät, das Genly Ai nunmehr den Dreiunddreißig übergeben hat, und das Obsle zu treuen Händen verwahrt, wird diese Leute auch nicht bekehren. Ganz eindeutig kann es all das, was Ai behauptet, doch wenn der Königliche Mathematiker Shorst sagt: ›Ich verstehe das Prinzip nicht‹, dann wird es den Orgota-Mathematikern und Ingenieuren nicht besser ergehen, und wieder einmal ist nichts bewiesen. Ein bewundernswertes Resultat, wäre diese ganze Welt eine Festung der Handdara; doch so müssen wir weiter vorwärts marschieren, den frischen Schnee mit unseren Spuren durchziehen, Beweise und Gegenbeweise suchen, Fragen und Antworten vorbringen.