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1991 fuhr der Mitarbeiter der Dresdner Bank nach Sankt Petersburg, um die Eröffnung einer Vertretung vorzubereiten. Dafür nutzte Warnig seine Bekanntschaft mit Putin, dem Vorsitzenden des Komitees für Außenbeziehungen der Stadtverwaltung, das über die Genehmigung für die Eröffnung von Büros ausländischer Firmen zu entscheiden hatte.

Mit der Zeit verdichteten sich die Beziehungen zwischen Warnig, der Dresdner Bank und Putin und nahmen einen privateren Charakter an. Die Bankergattin Irene Pietsch, Ljudmila Putinas deutsche Freundin, erinnert sich in ihrem Buch Heikle Freundschaften. Mit den Putins Russland erleben, wie Letztere 1994 einen schweren Autounfall hatte. Sie erzählt, dass ein hochgestelltes Mitglied »einer großen deutschen Bank ihre Behandlung in einer [deutschen] Klinik ermöglichte«. Aber auch mit der Familie Pietsch verband die Putins ein besonderes Verhältnis, allerdings nur so lange, bis Putin Präsident wurde. Familie Pietsch brachte den Putins einige (den sowjetischen Bürgern der 1980er-Jahre) verbotene Früchte des Kapitalismus nahe und bereitete Wladimir Wladimirowitsch damit auf seine Rolle des »Burger King« vor, des bürgerlichen Königs, des ersten auf dem russischen Thron innerhalb der Geschichte des klassischen europäischen Verbrauchertums, der Anfang der 2000er-Jahre freiwillig oder unfreiwillig das Entstehen der Klasse der russischen Bildungsbürger guthieß. Auch er selbst wäre ein typischer Vertreter dieser Klasse, gäbe es da nicht die Last monarchischer Verpflichtungen, die ihm die Familie von Boris Jelzin mitleidlos aufgebürdet hat.

Irene Pietsch erwähnte also eine Familie von Ostdeutschen in Moskau, »die Putin [bereits] in Dresden kennengelernt hatte« und deren Oberhaupt, ein hochgestellter Bankmanager, Ljudmila Putinas Behandlung organisiert hatte. Diese Aussage spricht eher dafür, dass sie sich bereits in Dresden kennengelernt hatten statt in Sankt Petersburg.

Währenddessen legte die Dresdner Bank in Petersburg ordentlich zu. Zu ihren Kunden gehörten nach Warnigs Aussagen das Nowgoroder Chemieunternehmen Akron von Wjatscheslaw Kantor (heute die Nummer 39 in der Forbes-Liste), Kirishinefteorgsintez von Wladimir Bogdanow (Nummer 34) sowie Severstal von Alexei Mordaschow (Nordstahl; Nummer 3). Die Bank verschmähte auch kleinere Transaktionen nicht. 1995 kaufte sie zugunsten einer Schweizer Firma einen Anteil am Grand Hotel Europa.

Dennoch zog es die deutschen Banker vor allem zu größeren Operationen hin. Als Gazprom auf den westlichen Markt drang, indem das Unternehmen 1 Prozent als American Depository Receipts auswarf, waren DrKW und Morgan Stanley die Organisatoren. 1997 erhielt das Monopol eine Kreditlinie über 2,5 Milliarden Dollar von einem Konsortium unter der Leitung der Dresdner Bank für den Bau der Erdgasleitung Jamal nach Europa und zog die DrKW als Berater für die Ausgabe von Wandelobligationen über 3 Milliarden Dollar hinzu.

Warum zog Gazprom die Dresdner Bank und ihre Tochter anderen oft vor? Der ehemalige Chef von Gazprom, Rem Wjachirew, erinnert sich daran, dass sie »die besten Bedingungen boten«. Die Politik der Dresdner Bank wird verständlich, wenn man sich die öffentlichen Ausschreibungen Ende der 1990er-Jahre anschaut. Als zum Beispiel die Föderale Agentur für die Verwaltung von Staatsvermögen Russlands 1998 die Privatisierung von Rosneft vorbereitete, gewann die DrKW gegen die Londoner NatWest Securities das Rennen, weil sie für ihre Arbeit zweieinhalb Mal weniger verlangte.

War es nur das Geld? Nicht umsonst nennt der Chefexekutivdirektor der Deutschen Bank Russland, Igor Loschewski, Warnig einen »einzigartigen Relationship-Banker«. Die Dresdner Bank und Warnig als ihr Manager waren in der Lage, den Bedürfnissen des Staates gerecht zu werden. Hier einige Beispiele.

Anfang der 2000er-Jahre brauchte Wladimir Putin, der einen Krieg gegen einige Oligarchen (vor allem gegen Michail Chodorkowski) angezettelt hatte, einen Bankier, der bereit war, seinen Ruf und juristische Konsequenzen zu riskieren. Die Schlacht begann mit der Übernahme des Fernsehsenders NTW durch Gazprom im Jahr 2000. Nach erlangtem Sieg wurde Gazprom-Media trotzdem nicht froh – monatlich mussten nun 7 Millionen Dollar für den Sender aufgebracht werden. Daher wollte die Chefetage wenigstens einen Teil der Firma zum Verkauf ausschreiben, und man fand auch potenzielle Käufer: die Alfa-Group, Interros, die Meschprombank und die deutsche Kirch-Gruppe. Man wurde zwar nicht handelseinig, dennoch wurde eine Schätzung der Aktiva vorgenommen.

Zunächst beauftragte man die Deutsche Bank mit der Schätzung, wechselte dann aber bald zu einem Taxierer der Dresdner Bank, erinnert sich Loschewski, der damals bei der Deutschen Bank arbeitete. Warum? »Die vernünftige Verbindung von hervorragenden persönlichen Verbindungen sowie die Preisvorstellungen« hätten dabei eine Rolle gespielt, erklärte er. Das bedeutete: Keine Arbeit – keine Bezahlung, denn Gazprom hatte nicht vor, die Deutsche Bank für einen unerledigten Job zu bezahlen. Warnig zeigte sich dennoch als Meister des Kompromisses. Er bestand darauf, dass die Bank Geld bekommen sollte, der Deal war schließlich nicht ihretwegen geplatzt. Schließlich war also auch die Deutsche Bank zufrieden, erinnert sich Loschewski: Man hatte das Risiko einer Rufschädigung vermieden und trotzdem Geld verdient.

In Putins Umfeld wuchs das Vertrauen in Warnig. 2003 wurde der Bankier Mitglied des Direktorenrats der Bank Rossija, die Freunden des Präsidenten gehörte. Er war freundlich zu den Hauptaktionären und ein achtbarer Direktor mit Verbindungen zu anderen internationalen Banken. An Rossija verkaufte Gazprom 2004 den Eigenversicherer Sogaz, ein Unternehmen, das daraufhin schnell neue Kunden in Form von staatlichen Firmen gewann und wuchs. Über Sogaz erlangten sie die Kontrolle über Leader JSC, die über 43 Prozent der Gazprombank verfügte. Als der Aufsichtsratschef von Rossija, Juri Kowaltschuk, später Fernsehsender sowie Reklame- und Zeitungsvertriebe aufgekauft hatte, wurde er mit seiner Bank zum Medienmogul.

Warnigs Loyalität wurde jedoch erst mit dem »JUKOS-Fall« so richtig auf die Probe gestellt, als das Imperium von Michail Chodorkowski wegen Steuerschulden unter den Hammer kam. Zunächst stand 2004 das Herzstück von JUKOS, die Juganskneftegaz, zum Verkauf. Die Regierung bestellte die DrKW als Gutachter. Diesen Auftrag erhielt Warnigs Bank ohne eine vorherige Ausschreibung. »Ich bin nicht sicher, ob viele Investitionsbanken daran hätten teilnehmen wollen wegen des Risikos einer Rufschädigung«, meint die Analytikerin von Standard & Poor’s Elena Anankina.

Indem sie sich der Begutachtung von Juganskneftegaz annahm, geriet die Dresdner Bank in eine heikle Situation. Nimmt man den Marktwert, ist der Auftraggeber unzufrieden. Senkt man den Preis, wird es einem die Wirtschaftswelt wohl kaum vergessen können. Die Dresdner Bank zog sich aus der Affäre, wenn auch nicht sonderlich elegant: Sie schätzte Juganskneftegaz auf 18,6 bis 21,1 Milliarden Dollar, jedoch ohne die Schulden zu berücksichtigen. Aber die Dresdner Bank war auf Nummer Sicher gegangen: Unter Berücksichtigung der Steuerforderungen konnte der Wert des wichtigsten Förderunternehmens JUKOS (Juganskneftegaz) auf 10,4 Milliarden Dollar sinken. Im Falle des Verkaufs eines Minderheitenpakets wurde ein Diskont von 15 bis 60 Prozent vorgesehen.

Selbstverständlich zogen die Beamten letztere Variante vor: 76,8 Prozent von Juganskneftegaz (100 Prozent gewöhnlicher Aktien) wurden für 8,6 Milliarden Dollar verkauft. Käufer wurde die Eintagsfliege Baikalfinanzgroup, die wenige Tage später von Rosneft aufgekauft wurde. Der Vorstandsvorsitzende von JUKOS, Steven Theede, nannte den Verkauf von Juganskneftegaz einen »von der Regierung organisierten Diebstahl als politischen Racheakt«. Dieselbe Einschätzung (»Raubüberfall am helllichten Tag«) gab Andrei Illarionow ab, der damals Putins Berater in Wirtschaftsfragen war.