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Gut und Böse sitzen am Tisch.

Gut will gehen, und Böse steht auf …

(Den Bezugsschein habe ich frisch

für den Apfel, Erkenntnis zu kaufen.)

Gut trägt einen knittrigen Hut.

Böse zieht Dienststiefel an.

(Ich glaube, die Last bin ich los

Und alles auf der Erde ist klar.)

Ich höre, wie Böse laut redet:

– Diesmal hattest du Glück. –

Und reicht Gut die helfende Hand,

Und hört: – Ich brauche sie nicht.

Böse kneift die Lippen zu,

Gut zeigt seinen löchrigen Mund,

Zähne zerbrochen, oder sie fehlen,

eine Ruinenlandschaft ist da.

Gut reißt den Mund noch weiter auf,

Gut lacht mit zahnlosem Mund.

Und ich erlebe ein Glücksgefühl –

dass ich diesen Tag erleben darf.

Da begriff ich, dass Moskau nie wieder Putins Stadt sein würde. In seiner Hauptstadt war er nun ein einsamer Mann, nur in Gesellschaft seiner zwei Hunde, des Labradors Conny und des Schäferhunds Baffy, sowie zweier getreuer Gespenster, Gerhard Schröder und Silvio Berlusconi. Sie winken ihm aus der Ferne zu und flüstern mit satten Lippen: Lass es und halt durch, alles wird sich beruhigen und festigen!

Aber nichts beruhigt und festigt sich. Das russische Bildungsbürgertum nimmt Putin nicht mehr an. Sie werden einen Zusammenbruch des Putinismus erreichen, sowohl als politisches System wie auch als Philosophie der Lenkung der »Bevölkerung«. Wie viel Zeit ihm bleibt, das werden wir sehen. In der Geschichte ist die Qualität einer Entwicklung oft wichtiger als ihr Tempo.

Kapitel 2: Das Geheimnis seiner Geburt und eine seltsame Kindheit. Die ­Einsamkeit Wladimir Putins

Wenn ich die Weltpolitik und die internationale Geschichte studiere, neige ich zu der Annahme, dass Phobien, Frustrationen, Komplexe und andere seelische und psychische Probleme der staatlichen Lenker wie auch persönliche Motive bei maßgeblichen Entscheidungen eine nicht weniger wichtige Rolle spielen als strategische Visionen, politische oder religiöse Ansichten, nationale oder übernationale Interessen. Wie oft schon konnten wir in unserem postsowjetischen Leben beobachten, dass Entscheidungen, die das Schicksal von Nationen geprägt haben, unter dem Einfluss banaler Eifersüchteleien, von Neid und den Bemühungen (eines Mannes), vor einer Frau zu glänzen, getroffen wurden!

Aber was reden wir über das triviale Schicksal der UdSSR? Nachdem ich über viele Jahre die Geschichte Napoleon Bonapartes studiert habe, neige ich zunehmend zu folgenden Schlussfolgerungen:

a) Der Imperator stürzte sich in den für ihn vernichtenden Krieg von 1812 gegen Russland wegen einer oder mehrerer Frauen.

b) Der Imperator verlor den Krieg ebenfalls wegen einer Frau.

Punkt a): Erstens ärgerte sich Napoleon über die Weigerung des Petersburger Hofs, ihm die Fürstin Anna Pawlowna, Schwester des russischen Zaren Alexander I., die ihm insgeheim besser gefiel als Marie-Louise von Habsburg, zur Frau zu geben. Der zweite und wichtigste Grund jedoch war: Er war getrieben von einem Schuldkomplex gegenüber seiner inoffiziellen Geliebten, der polnischen Gräfin Maria Walewska, und ihrem gemeinsamen Sohn Alexandre – er konnte den geliebten, aber außerehelichen Sprössling nicht zu seinem Nachfolger machen und wollte deswegen den minderjährigen Alexandre unter der Regentschaft von Maria auf den polnischen Thron bringen. Das war nur machbar, wenn das Polnische Königreich in vollem Glanz und Gloria wiederhergestellt wurde, was wiederum eine unzweideutige militärische Vernichtung des Russischen Imperiums voraussetzte.

Punkt b): Napoleon hätte den Krieg von 1812 nicht verloren, wenn er rechtzeitig Unterstützung bei seinem geliebten Marschall Jean-Baptiste Bernadotte gefunden hätte. Der einst vertraute Feldherr Bonapartes war zu dieser Zeit mit Désirée Clary verheiratet, Napoleons erster Liebe, die dieser seinerzeit wegen Joséphine Beauharnais verlassen hatte. Im entscheidenden Moment kam Bernadotte seinem Patron nicht zu Hilfe, und später verbündete er sich auch noch mit der Anti-Napoleon-Koalition der europäischen Staaten und half ihr 1813/14 bei der Niederschlagung der Grande Armée. Man könnte die Rolle von Désirée Clary, der künftigen Königin Schwedens und Norwegens Desideria, bei diesen bitteren Kränkungen herunterspielen, aber ich würde das nicht tun.

Was soll man dann erst über die führenden Politiker sagen, die nicht einmal an den kleinwüchsigen Napoleon und seinen Degengriff heranragen!

Ich bin der Meinung, man kann Wladimir Putin nicht verstehen, dessen politische Entscheidungen oft völlig logisch und folgerichtig scheinen, aber auch nicht selten töricht und unberechenbar, wenn man nicht – natürlich mit dem gebotenen Respekt – die Geheimnisse seiner Geburt und Kindheit erforscht.

Nach offiziellen Angaben wurde Wladimir Putin am 7. Oktober 1952 in Leningrad (heute: Sankt Petersburg) im Rayon Ochta in die Familie des Arbeiters Wladimir Spiridonowitsch Putin und seiner Frau Maria Nikolajewna Schelomowa geboren. Aber es gibt auch eine andere Version.

Ihr zufolge ist der wirkliche Geburtsort unseres Helden das Dorf Terechino in der Region von Perm. Heute gibt es dieses Dorf nicht mehr, es ist ausgestorben. Dass in Russland Dörfer sterben, ist keine Seltenheit. Wladimir Putins Mutter ist Vera Nikolajewna Putina, geboren 1926, der Vater Platon Priwalow, Alkoholiker und Bigamist. Nach dieser Version wurde Putin bereits 1950 geboren. Bald darauf verließ seine Mutter Platon Priwalow und ging nach Georgien, wo sie bis heute lebt. Ihr neuer Mann wurde der Georgier Georgi Osipaschwili; in dieser Ehe wurden zehn (!) Kinder geboren. Allerdings wollte Osipaschwili Wladimir Putin nicht als sein Kind anerkennen.

Daraufhin schickte Vera den kleinen Wladimir nach Leningrad und bewirkte seine Adoption durch ihren kinderlosen Verwandten Wladimir Spiridonowitsch Putin. Während seiner Zeit in Georgien wurde aus dem kleinen Wladimir Putin, der praktisch ohne Vater und ohne die Liebe und Pflege seiner Eltern aufwuchs, ein verschlossenes und grimmiges Kind. Er entwickelte eine Leidenschaft für das Angeln, hasst jedoch seitdem die Georgier als Ethnie und als Gruppe mit bestimmten ethnokulturellen Zügen.

Damit ist seine allgemein antigeorgische Gestimmtheit und seine oft unmotiviert wirkende Politik zu erklären. Einige meinen, das Problem läge bei dem ehemaligen Präsidenten Georgiens Michail Saakaschwili, zu dem Putin ein höchst kompliziertes Verhältnis hat. Allerdings hatte der kalte russisch-georgische Krieg bereits unter Präsident Edward Schewardnadse begonnen. 2002 wurde eine Visumpflicht eingeführt – ein Novum für einen GUS-Staat, der dazu noch in so enger Verbindung mit Russland stand. Bekanntlich brach Putin 2012 endgültig mit Patenkind und Ziehtochter Xenija Sobtschak, als er erfuhr, dass sie die Moderation einer Sendung im georgischen Fernsehkanal PIK übernommen hatte. Derartige Beispiele gibt es viele. Von einigen wird noch die Rede sein.

Das Geheimnis von Putins Kindheit ist eine der Antriebskräfte für sein Verhalten und letztlich auch für seinen Werdegang. Dieses Geheimnis versuchte als einer der Ersten der bekannte Journalist Artjom Borowik zu lüften. Er ist der Nachfolger und Schüler des legendären Julian Semjonow, Autor des Drehbuchs zu Siebzehn Augenblicke des Frühlings. Dabei handelt es sich um eine sowjetische Fernsehserie über einen Spion namens Stierlitz, die Putin einer Legende nach dazu motivierte, sich beim KGB zu bewerben.