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»Sie müssen Geduld haben, Mister. Altnordisch ist seit mehr als tausend Jahren eine tote Sprache, die wir nur durch Schriften kennen. Isländisch kommt ihr noch am nächsten, deshalb benutze ich die isländische Betonung und Aussprache …«

»Gut, gut. Ich brauche keine Lektionen, ölt ihn mit ein paar Drinks, dann wird er schon reden.«

Tex schob dem Wikinger einen Stuhl in die Kniekehlen, und der Wilde setzte sich mit einem zornigen Blick. Barney holte aus der Bar hinter dem falschen Rembrandt eine Flasche Jack Daniels und goß ein Sodaglas halbvoll. Aber als er es dem Wikinger entgegenstreckte, warf der den Kopf nach hinten und rasselte mit den Ketten, die seine Handgelenke festhielten.

»Eitr!«[4] knurrte er.

»Er glaubt, daß Sie ihn vergiften wollen«, sagte Lyn.

»Das werden wir gleich haben«, sagte Barney und hob das Glas an die Lippen. Er nahm einen langen Zug. Diesmal ließ sich der Wikinger das Glas geben. Er begann zu trinken. Seine Augen wurden immer größer, und er leerte es bis auf den letzten Tropfen.

»Odinn ok Frigg!«[5] brüllte er glücklich und schüttelte die Tränen aus den Augen.

»Wenn ihm die nicht schmecken soll!« meinte L. M. »Die Flasche kostet sieben Dollar fünfundzwanzig plus Steuern. Daheim hat er sowas sicher nicht. Fragen Sie ihn nochmals nach seinem Namen.«

Der Wikinger konzentrierte sich sichtlich, als die Frage mit verschiedenen Betonungen wiederholt wurde, und er gab bereitwillig Antwort, als er erst einmal verstanden hatte.

»Ottar«, sagte er und sah die Flasche sehnsüchtig an.

»Wenigstens etwas«, meinte L. M. und warf einen Blick auf die Schreibtischuhr. »Es ist auch vier Uhr morgens, und ich möchte noch einiges regeln. Fragen Sie diesen Ottar, wie es mit der Bezahlung steht — welche Währung haben diese Leute, Lyn?«

»Hm — in der Hauptsache treiben sie Tauschhandel, aber es wird auch die Silbermark erwähnt.«

»Genau das wollen wir wissen. Wie viele Mark bekommt man für den Dollar? Und ich will nicht irgendwelche Bankziffern wissen, sondern den freien Handelspreis. Wir werden das Zeug, wenn nötig, in Tanger besorgen …«

Ottar brüllte los, warf sich aus dem Stuhl, stieß Barney in eine Reihe von Topfpflanzen, die unter ihm zusammenbrachen, und packte die Whiskyflasche. Er hatte sie eben an den Mund gesetzt, als Tex ihn mit dem Totschläger erwischte. Der Wikinger sank bewußtlos zusammen.

»Was soll das?« schrie L. M. »Mord in meinem eigenen Büro? Verrückte habe ich genug in der Firma, also bringt den hier zurück, wo er herkam, und sucht einen, der Englisch versteht. Nächstes Mal will ich keine Übersetzer mehr.«

»Aber keiner von ihnen spricht Englisch«, sagte Barney gekränkt und zog ein paar Kaktusfragmente aus seinem Ärmel.

»Dann bringt es einem bei — aber ich will keine Verrückten mehr sehen!«

4

Barney Hendrickson unterdrückte ein Stöhnen, und die Hand, die den Pappbecher mit dem schwarzen Kaffee an die Lippen führte, zitterte schwach. Er hatte vergessen, seit wie vielen Stunden — oder Jahrhunderten — er keinen Schlaf mehr gehabt hatte. Während der Nacht hatte sich eine Schwierigkeit nach der anderen ergeben, bis die Dämmerung des neuen Tages ihre eigenen Probleme mitbrachte. Dallas Levys Stimme klang im Telefonhörer wie das Surren einer wütenden Wespe.

»Einverstanden, einverstanden, Dallas«, krächzte er. Seine Stimmbänder waren von drei nacheinander gerauchten Zigarettenpaketen überbeansprucht. »Bleibe nur bei ihm und sorge dafür, daß er ruhig ist. Niemand geht in die Nähe dieser alten Lagerräume … Gut, die letzten drei Stunden bekommst du doppelt … meinetwegen, ab jetzt das Dreifache, ich werde es verantworten. Halte ihn in Schach, bis wir entschieden haben, was wir mit ihm anfangen. Und sage Dr. Lyn, daß er heraufkommen soll, wenn er frei ist.«

Barney legte auf und versuchte sich auf den Finanzplan zu konzentrieren, der vor ihm lag. Bis jetzt stand neben den meisten Einträgen ein BleistiftFragezeichen. Leicht würden sie es mit diesen Aufnahmen nicht haben. Und was geschah, wenn die Polizei Wind von dem Wikinger bekam, den sie da unten eingesperrt hatten? Konnte man wegen Entführung bestraft werden, wenn man jemand in die Gegenwart holte, der seit beinahe tausend Jahren tot war? Er griff wieder nach dem Kaffee. Professor Hewett, offensichtlich frisch wie eh und je, marschierte im Büro auf und ab und stellte Gleichungen auf einer Taschen-Rechenmaschine zusammen. Die Ergebnisse kritzelte er in ein kleines Notizbuch.

»Schon irgendwelche Resultate, Professor?« fragte Barney. »Können wir größere Gegenstände als den Laster in die Vergangenheit schicken?«

»Geduld, Sie müssen sich in Geduld üben. Die Natur gibt ihre Geheimnisse nur mit der größten Zurückhaltung her, und eine falsch gesetzte Dezimalstelle kann die Lösung unmöglich machen. Es gibt viele Faktoren, die außer den anerkannten vier Dimensionen …«

»Ersparen Sie mir die Einzelheiten, ich will nur die Antwort wissen.« Seine Sprechanlage summte, und er bat seine Sekretärin, Dr. Lyn hereinzuführen. Lyn lehnte eine Zigarette ab und versuchte, seine lange Gestalt knitterfrei im Sessel unterzubringen.

»Heraus mit den Hiobsbotschaften«, sagte Barney. »Außer Sie sehen immer so trist drein. Kein Glück bei dem Wikinger?«

»Wie Sie sagen, kein Glück. Da ist erst einmal das Verständigungsproblem. Sie wissen, daß es mir einfach unmöglich ist, die altnordische Sprache perfekt zu beherrschen. Dazu kommt, daß Ottar wenig oder gar kein Interesse zeigt, mit mir zu diskutieren. Aber ich habe das Gefühl, daß man ihn mit der nötigen Aufmunterung dazu bringen könnte, Englisch zu lernen.«

»Aufmunterung?«

»Geld, oder das Äquivalent des elften Jahrhunderts. Wie die meisten Wikinger ist er sehr gewinnsüchtig und wird fast alles tun, um Status und Reichtum zu erlangen, obwohl er es natürlich vorzieht, beides durch Kämpfe zu erlangen.«

»Natürlich. Wir können ihn dafür bezahlen, daß er Sprachunterricht nimmt. Aber wie ist es mit der Zeit? Können Sie ihm die Sprache in vierzehn Tagen beibringen?«

»Unmöglich! Bei einem willigen Schüler ginge es vielleicht, aber nicht bei Ottar! Er ist trotzig, und zudem weigert er sich, überhaupt etwas zu tun, solange wir ihn nicht freilassen.«

»Kommt nicht in Frage!« sagte Barney und widerstand dem plötzlichen Verlangen, sich die Haare auszuraufen. »Ich kann schon vor mir sehen, wie dieser haarige Wilde mit seinem Metzgerbeil an der nächsten Straßenecke herumläuft. Das geht nicht.«

»Wenn ich einen Vorschlag äußern darf«, sagte Hewett und blieb vor Barneys Schreibtisch stehen. »Wenn Dr. Lyn mit dem Eingeborenen in dessen eigene Zeit zurückkehren würde, hätte er reichlich Gelegenheit, ihm Englisch in seiner gewohnten Umgebung beizubringen. Das würde den Mann beruhigen.«

»Mich aber nicht, Professor«, sagte Lyn kühl. »Das Leben in jener Ära ist zumeist brutal und kurz.«

»Ich bin sicher, daß man da Vorsichtsmaßnahmen treffen könnte, Doktor«, sagte Hewett und spielte mit seiner Rechenmaschine. »Und ich könnte mir denken, daß die philologischen Möglichkeiten den persönlichen Faktor bei weitem überwiegen …«

»Das stimmt natürlich«, meinte Lyn, und sein entrückter Blick erfaßte Stammwörter, Fälle und Geschlechtswörter, die seit Zeitaltern verschollen waren.

»Hinzu kommt der bedeutende Vorteil, daß auf diese Weise der Zeitfaktor entsprechend der Notwendigkeit gestaltet werden kann. Meine Herren, wir können die Zeit ausdehnen oder verkürzen, wie wir wollen. Doktor Lyn kann zehn Tage, zehn Wochen oder zehn Jahre haben, um Ottar die englische Sprache beizubringen, und zwischen dem Augenblick, in dem er aufbricht, und dem Augenblick seiner Rückkehr vergehen von unserem Standpunkt aus nur ein paar Minuten.«

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4

»Gift!«

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5

»Odin und Frigg!«