Probyn wartete an der Tür auf Bolitho und sagte kurz:»Sie sind jetzt hier der Ranghöchste-«, seine Augen glitzerten trotz seiner Müdigkeit — ,»und ich wünsche Ihnen viel Glück mit diesem Sauhaufen!»
Bolitho betrachtete ihn gelassen. Probyn war nicht viel älter als er selbst, sah aber beinahe so alt aus wie Pears. Er fragte:»Warum diese Bitterkeit?»
Probyn schnaubte.»Ich habe niemals wirklich Glück gehabt und auch nicht die guten Beziehungen Ihrer Familie. «Zu Bolithos Ärger hob er drohend die Faust.»Ich kam aus dem Nichts und mußte mich mit Zähnen und Klauen hinaufarbeiten! Denken Sie, ich hätte zu Ihren Gunsten verzichtet? Was ist schon ein elender, kleiner, französischer Blockadebrecher für einen älteren Offizier wie mich — das haben Sie doch gedacht, nicht?»
Bolitho seufzte. Probyn war noch vulgärer, als er sich vorgestellt hatte.»Ja, es ging mir durch den Kopf.»
«Als Sparke fiel, kam meine Chance, und ich habe die Absicht, sie in jeder Weise zu nutzen.»
Bolitho blickte weg; es war ihm unmöglich, Probyn in seiner Raserei länger anzusehen.
«Sie können hier warten, bis Sie blau sind. Und dann sagen Sie Ihrem blöden Cairns und den anderen Idioten, soweit sie überhaupt dafür Interesse haben, daß ich nicht mehr auf die Trojan zurückkehre, oder höchstens besuchsweise. Aber dann als Kommandant meines eigenen Schiffes!»
Er drehte sich abrupt herum und ging. Was Bolitho auch an Mitleid oder wenigstens Verständnis für ihn empfunden haben mochte, war verflogen, als er feststellte, daß Probyn nicht einmal die Absicht hatte, noch einmal mit seinen Leuten zu sprechen, bevor er ging, oder die Schwerverwundeten und Sterbenden zu besuchen.
D'Esterre trat zu ihm auf die Brustwehr, und sie beobachteten Probyn, der entschlossen über den Strand zu einem der beiden Boote ging.
«Hoffentlich bleibt er weiterhin nüchtern, Dick. Mit einem Schiff voller Schießpulver und einer verängstigten Eingeborenencrew könnte es sonst eine denkwürdige Reise werden!«Er sah, daß sein Sergeant auf ihn wartete, und ging eilig zu ihm.
Bolitho stieg die Leiter hinunter und fand Quinn an einer Wand lehnen. Er sollte die erbeuteten Waffen und Pulverfässer inspizieren, überließ dies jedoch seinen Leuten.
Bolitho sprach ihn an:»Hast du gehört, was der Major uns zu sagen hatte, und auch, was Probyn mir eben an den Kopf geworfen hat? Ich habe dazu ein paar eigene Ideen, aber erst möchte ich wissen, was heute morgen während des Angriffs vorgefallen ist. «Er dachte an den fürchterlichen Schrei, der so plötzlich verstummt war.
Quinn erwiderte heiser:»Ein Mann kam aus dem Wachturm. Wir waren alle so damit beschäftigt, die Tore zu suchen oder nach Wachtposten Ausschau zu halten, daß ihn niemand bemerkte. Er schien aus dem Nichts zu kommen. «Unglücklich fuhr er fort:»Ich war ihm am nächsten und hätte ihn leicht niederstechen können. «Er schauderte.»Es war ein halbnackter Junge mit einem Eimer, wahrscheinlich sollte er Wasser holen für die Kombüse. Er war unbewaffnet.»
«Was dann?»
«Wir starrten uns an, ich bin mir nicht sicher, wer von uns beiden mehr überrascht war. Ich hatte die Klinge schon an seinem Hals, ein Streich hätte genügt, aber ich konnte nicht. «Quinn blickte Bolitho verzweifelt an.»Er begriff es. So standen wir, bis…»
«Rowhurst kam?»
«Ja, mit seinem Dolch. Aber für mich war es zu spät.»
Bolitho nickte. Er erinnerte sich an seine eigenen Gefühle, als er sich über den Mann beugte, den er erschossen hatte, um sich selbst zu retten.
Quinn fuhr fort:»Ich sah den Ausdruck in Rowhursts Augen, er verachtet mich. Es wird durch das Schiff gehen wie ein Lauffeuer, und ich werde ihren Respekt für immer verlieren.»
Bolitho fuhr sich durchs Haar.»Du mußt versuchen, ihn dir von neuem zu erwerben, James. «Er fühlte Sand zwischen seinen Fingern und sehnte sich nach einem Bad.»Aber jetzt haben wir genug anderes zu tun. «Er sah Stockdale und ein paar Seeleute ihn beobachten.»Geh mit diesen Leuten zum Floß, schleppt es in tiefes Wasser und zerstört es. «Er ergriff Quinns Arm und fügte hinzu:»Denk daran, James: Sag ihnen, was sie tun sollen.»
Quinn wandte sich ab und ging niedergeschlagen zu den wartenden Seeleuten. So lange Stockdale dabei war, würde alles in Ordnung gehen, dachte Bolitho.
Ein Unteroffizier tippte sich grüßend an die Stirn und meldete:»Wir haben das Hauptmagazin geleert, Sir.»
Bolitho nahm seine Gedanken zusammen, da Verstand und Körper ihm noch nicht ganz gehorchen wollten. Aber er mußte. Er war jetzt tatsächlich der Dienstälteste, genau wie Probyn gesagt hatte.
«Gut, ich sehe mir an, was ihr gefunden habt«, sagte er.
Die Geschütze mußten unbrauchbar gemacht, die Vorräte in Brand gesteckt werden, bevor das Fort selbst mit seinem eigenen Pulvermagazin in die Luft gesprengt wurde. Er blickte in die leeren Ställe und war froh, daß keine Pferde zurückgelassen worden waren. Der Gedanke, sie schlachten zu müssen, um sie nicht in Feindeshand fallen zu lassen, war schlimm genug; noch schlimmer war es, sich vorzustellen, welche Wirkung ein solches Gemetzel auf die kampfesmüden Seeleute gehabt hätte. Tod, Verwundung oder auch Auspeitschen nahm der Durchschnittsseemann als sein natürliches Los hin, aber Bolitho hatte einmal gesehen, wie ein Bootsmannsmaat in Plymouth einem Mann den Schädel einschlug, nur weil dieser nach einem streunenden Hund getreten hatte.
Marineinfanteristen bastelten überall herum und fühlten sich ganz in ihrem Element, als sie lange Zündschnüre verlegten und diese mit den Pulverfässern verbanden, während andere die kleineren Feldgeschütze zu den Toren schafften.
Das Floß war mittlerweile in tiefes Wasser geschleppt worden; von der Mauer aus sah Bolitho, daß die Seeleute es mit ihren Äxten zerschlugen und die Taue losmachten. Quinn stand dabei und beobachtete sie. Das nächste Mal, wenn sie kämpfen mußten, würde er nicht so glimpflich davonkommen, dachte Bolitho traurig.
Auf dem Wachturm stand Couzens, ein Teleskop auf den Ankerplatz gerichtet. Als Bolitho sich umwandte, sah er, daß auf dem
Logger Segel gesetzt wurden, während die Anker tropfend vor den Klüsen hingen.
Derselbe Wind, der das Einlaufen der Spite verzögerte, ließ Pro-byn und seine kleine Schar noch vor Dunkelheit die offene See gewinnen. Mitleid ist niemals eine gute Basis für eine Freundschaft, dachte Bolitho, aber ihr Abschied war derart unerfreulich gewesen, daß er für immer zwischen ihnen stehen würde, falls sie sich je wieder begegneten.
«Ach, da sind Sie, Bolitho!«Paget blickte aus einem Fenster.»Kommen Sie herauf, dann kann ich Ihnen gleich Ihre Instruktionen geben.»
Im Kommandeurszimmer spürte Bolitho wieder seine Müdigkeit, die Nachwirkung von Kampf, Vernichtung und Angst.
Paget informierte ihn:»Als weiteres Mosaiksteinchen für unseren Nachrichtendienst wissen wir jetzt, woher der Feind sein Pulver und einen Teil seiner Bewaffnung bekommt. Alles andere ist Sache des Admirals.»
Es klopfte an die Tür, und Bolitho hörte draußen jemanden eindringlich flüstern.
«Warten Sie!«sagte Paget ruhig.»Ich hatte keine andere Wahl mit dem Logger. Von Rechts wegen hätte er Ihnen zugestanden wegen der Art und Weise, wie Sie das Fort für uns sturmreif gemacht haben. «Er hob die Schultern.»Aber der Marine Wege sind nicht die me inen, und somit…»
«Ich verstehe, Sir.»
«Gut. «Paget schritt mit bemerkenswerter Geschwindigkeit
durch den Raum und öffnete die Tür.»Ja?»
Es war Leutnant Fitzherbert von den Marineinfanteristen des Flaggschiffs. Er stammelte:»Wir haben den Feind gesichtet, Sir! Er kommt die Küste herauf!»
Zusammen traten sie in das blendende Sonnenlicht, und Paget ließ sich in aller Ruhe von einem Ausguckposten ein Fernrohr geben. Nach einer vollen Minute reichte er es Bolitho.
«Das ist ein Anblick! Ich glaube, Ihr Mr. Probyn wird bedauern, daß er ihm entging.»
Bolitho vergaß sofort seine Enttäuschung und des Majors Sar-kasmus, als er das Glas auf die Küste richtete. Es schien ein endloser Zug zu sein, der da dem Strand folgte und fast bis zurück nach