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Einen Augenblick nur zögerte Bolitho, hieb dann aber mit voller Wucht auf den Halsansatz oberhalb des Schlüsselbeins und sah den Mann sterben, noch bevor er über Bord fiel und klatschend aufschlug.

Mehr Seeleute eilten ihm jetzt zu Hilfe, aber bei einer kurzen Blickwendung sah er Quinn noch an derselben Stelle stehen wie vorher, als sei er gelähmt.

Rauch wirbelte auf und hüllte die kämpfenden und keuchenden Männer ein. Bolitho stellte fest, daß der Wind auffrischte und die beiden Schiffe in ihrer fürchterlichen Umklammerung jetzt rascher vorwärts trieb.

Eine weitere Gestalt blockierte ihm den Weg, wieder beherrschte der Klang von Stahl alles andere.

Scharf beobachtete er das Gesicht seines Gegners, parierte distanziert, gefühllos jeden Schlag, erprobte seine Stärke und erwartete jeden Augenblick den tödlichen Stich in seinen Magen, wenn er das Gleichgewicht verlor.

Andere kämpften neben ihm: Leutnant Raye von den Marineinfanteristen, Joby Scales, der Zimmermann, einen riesigen Hammer schwingend, Varlo, der Seemann, der in der Liebe enttäuscht worden war, Dunwoody, der Müllerssohn, und natürlich Stockdale, dessen riesiges Entermesser einen fürchterlichen Blutzoll forderte.

Etwas traf Bolitho am Kopf, er fühlte Blut am Hals herabfließen, aber der Schmerz half ihm, seine Wachsamkeit zu verdoppeln, die Bewegungen des Gegners wie unbeteiligt zu beobachten.

Ein sterbender Seemann fiel stöhnend gegen seinen Gegner und lenkte ihn den Bruchteil einer Sekunde ab, aber es genügte. Bolitho sprang über den gefällten Feind, die blutige Klinge hoch erhoben, während er seine Leute um sich sammelte. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, daß seine Klinge durch Fleisch und Knochen gedrungen war, es war alles so schnell gegangen.

Jemand rutschte in einer Blutlache aus und krachte gegen seinen Rücken. Bolitho stürzte zu Boden, seinen Degen behielt er nur in der Hand, weil er am Gelenk festgebunden war.

Als er sich wieder aufrichtete, sah er mit Staunen, daß ein Streifen Wasser zwischen den Schiffen klaffte, der ständig breiter wurde. Mit zerfetzten Flaggen drifteten sie auseinander.

Auch die französischen Enterer hatten es bemerkt. Während einige rasch auf den noch über ihnen aufragenden Klüverbaum kletterten, versuchten andere, hinüberzuspringen. Die Entfernung war jedoch schon zu groß, die meisten fielen ins Wasser, zwischen die treibenden Leichen und Verwundeten.

Einige hoben die Hände, um sich zu ergeben, als aber noch ein Marineinfanterist durch einen feindlichen Schützen erschossen wurde, trieb man auch sie über die Bordwand.

Bolitho fühlte, wie die Kräfte ihn verließen; er mußte sich auf die Reling stützen. Einige Geschütze schössen noch aufs Geratewohl durch den Qualm, aber der Kampf war vorbei. Die Segel der Argo-naute wurden rundgebraßt, allmählich entfernte sie sich, das Heck jetzt dem Achterdeck der Trojan zugewandt.

Bolitho merkte, daß er auf dem Rücken lag und in den Himmel schaute, der ihm unnatürlich klar und blau und sehr weit weg schien. Seine Gedanken begannen zu driften wie der Rauch und wie die beiden schwer beschädigten Schiffe.

Ein Schatten fiel über ihn, und er erkannte verschwommen, daß Stockdale neben ihm kniete, das zerschlagene Gesicht angsterfüllt.

Bolitho versuchte, ihm zu erklären, daß alles in Ordnung sei, daß er sich nur ein wenig ausruhe. Da dröhnte eine Stimme an sein Ohr:»Tragt Mr. Bolitho sofort ins Lazarett!»

Er versuchte zu protestieren, aber die Anstrengung war zuviel für ihn; ihm wurde schwarz vor Augen.

Bolitho öffnete die Augen und blinzelte mehrmals, um klare Sicht zu bekommen. Als der Schmerz in seinen Kopf zurückkehrte, merkte er, daß er unten im Orlopdeck vor dem Lazarett lag. Im Schein der von der Decke baumelnden Lampen wirkte der sonst dunkle Raum wie ein Inferno. Er lehnte halb gegen ein Spant und spürte, wie sich der Schiffsrumpf durch eine hohe Dünung arbeitete. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er, daß der ganze Raum voller Menschen war. Einige lagen still, waren wohl schon tot, andere krochen von Schmerzen gepeinigt hin und her.

In der Mitte des Decks, direkt unter den Lampen, arbeiteten Thorndike und seine Assistenten in grimmigem Schweigen an einem bewußtlosen Seemann auf dem Tisch, während ein Gehilfe mit einem Eimer weglief, aus dem ein amputierter Arm ragte.

Bolitho betastete seinen Kopf: er war blutverkrustet und hatte eine eigroße Beule, aber sonst konnte er keine Verletzung feststellen. Er spürte, daß die Erleichterung darüber, von seiner Magengegend ausgehend, ihn wie eine Flutwelle durchströmte. Hinter seinen Augen staute sich der Schmerz und trieb ihm Tränen übers Gesicht. Als wieder eine Gestalt zum Operationstisch getragen und aus den geschwärzten Kleidern geschält wurde, fühlte Bolitho sich beschämt. Er hatte Angst gehabt vor dem, was kommen würde, aber verglichen mit dem Mann, der jetzt den Arzt anflehte, war er so gut wie unverletzt.

«Bitte, Sir!«Der Mann schluchzte so wild, daß einige der anderen Verwundeten ihren Schmerz vergaßen und aufschauten.

Thorndike kam aus einem Verschlag und wischte sich den Mund ab. Er sah aus wie ein Fremder, seine Hände und Schürze waren rot von Blut.

«Tut mir leid.»

Thorndike nickte seinem Assistenten zu, und Bolitho sah erst jetzt das zerschmetterte Bein des Verwundeten. Er erkannte, daß es ein Mann aus seiner eigenen Batterie war, dem eine umgestürzte Kanone das Bein zerquetscht hatte.

Der arme Kerl jammerte und bettelte noch immer:»Nicht mein Bein, Sir!»

Eine Flasche wurde ihm zwischen die Zähne geschoben, und als er den Kopf nach hinten fallen ließ, noch würgend an dem unverdünnten Rum, steckte man ihm einen Lederriemen zwischen die Zähne.

Bolitho sah das Messer aufblitzen und wandte sich ab. Es war grauenhaft, daß ein Mensch so leiden mußte, schreiend und fast an seinem eigenen Erbrochenen erstickend, während seine schreckerstarrten Kameraden schweigend zusahen.

Thorndike knurrte:»Zu spät. Schafft ihn an Deck. «Dann griff er wieder zur Flasche.»Der nächste!»

Neben Bolitho kniete ein Seemann, dem einige große Holzsplitter aus dem Rücken gezogen wurden. Es war der Ausgucksmann Buller.

Er zuckte vor Schmerz, sagte aber:»Ich habe heute noch mal Glück gehabt, Sir. «Das war alles, was er von sich gab, aber es sprach Bände.

«Sind Sie in Ordnung, Sir?«Das war Fähnrich Couzens.»Mich schickt der Erste Offizier. «Er wandte sich voller Schrecken um, als jemand tierisch zu schreien begann.»O Gott, Sir!»

Bolitho reichte ihm die Hand.»Helfen Sie mir auf. Ich muß hinaus. «Mühselig taumelte er auf die Füße und klammerte sich wie betrunken an des Jungen Schulter.»Das hier werde ich nie vergessen!»

Stockdale kam ihnen mit vor Sorge zerfurchtem Gesicht entgegen und duckte sich unter dem Decksbalken hindurch.»Ich übernehme ihn!»

Der Weg nach oben war ebenfalls ein Alptraum. Im unteren Batteriedeck hing noch immer Rauch und verbarg barmherzig die schlimmsten Spuren des Kampfes.

Plötzlich sah er Dalyell mit seinen zwei verbliebenen Fähnrichen Lunn und Burslem. Die drei besprachen mit den Geschützführern, was zu tun war.

Als Dalyell ihn entdeckte, kam er herübergelaufen, sein offenes Gesicht leuchtete vor Freude.

«Gott sei Dank, Dick! Ich hatte gehört, du seist tot!»

Bolitho versuchte zu lächeln, aber der Schmerz in seinem Schädel verhinderte das.

«Dasselbe habe ich von dir gehört.»

«Aye. Eine Kanone explodierte, von dem Schlag wurde ich besinnungslos. Ohne die Leute neben mir wäre ich jetzt tot. «Er schüttelte traurig den Kopf.»Der arme Huss! Er war ein braver Junge.»

Bolitho nickte nachdenklich. Mit neun Fähnrichen waren sie von England abgefahren. Einer war befördert worden, einer in Gefangenschaft geraten, und jetzt war einer gefallen. Das Fähnrichslogis würde in Zukunft ein trauriger Ort sein.