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Nachdem diese Verordnungen erlassen worden, kehrte der König wieder in das Palais-Royal zurück; eine große Volksmenge stand an seinem Wege: da man aber wußte, daß er aus dem Parlament komme, ohne zu wissen, ob er dem Volke Gerechtigkeit widerfahren ließ oder nicht, so ließ sich auf seinem Wege nicht ein einziger Jubelruf vernehmen, um ihm zu seiner Genesung Glück zu wünschen. Im Gegenteil waren alle Gesichter finster und bekümmert, und einige sogar der Drohungen voll.

Die Truppen blieben ungeachtet seiner Zurückkunft am Platze; man besorgte einen Aufruhr, wenn das Resultat des Parlaments bekannt wurde; und wirklich, kaum verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, der König habe die Steuern noch vermehrt, statt sie zu verringern, so bildeten sich Gruppen, und man rief mit lautem Geschrei: »Nieder mit Mazarin! es lebe Broussel! es lebe Blancmesnil!« denn das Volk erfuhr, daß diese beiden zu seinen Gunsten gesprochen, und obwohl ihre Beredsamkeit fruchtlos war, so wußte man ihnen doch dafür keinen geringeren Dank.

Die Unruhe in den Straßen nahm von Minute zu Minute zu. Der Kardinal erhob auf einmal mit halbgerunzelter Stirn das Haupt, als hätte er einen Entschluß gefaßt, richtete die Augen auf eine ungeheure Wanduhr, die auf sechs Uhr zeigte, und indem er eine im Bereich seiner Hand liegende Pfeife von vergoldetem Silber vom Tische nahm, pfiff er zu wiederholtem Male.

Da öffnete sich geräuschlos eine in der Tapete verborgene Türe, ein schwarzgekleideter Mann trat hervor und blieb hinter dem Stuhle stehen.

»Bernouin!« sprach der Kardinal, ohne daß er sich umwandte, denn da er zweimal gepfiffen hatte, so wußte er schon, es müsse sein Kammerdiener sein. »welche Musketiere sind im Palast auf der Wache?«

»Monseigneur, die schwarzen Musketiere.«

»Welche Kompagnie?«

»Die Kompagnie Treville.«

»Steht etwa ein Offizier der Kompagnie im Vorgemach?«

»Der Leutnant d'Artagnan.«

»Ein Vertrauenswürdiger - nicht wahr?«

»Ja, Monseigneur.«

»Rufe mir Herrn d'Artagnan.«

Der Kammerdiener ging diesmal durch die Mitteltür ab, und zwar immer so still und schweigsam wie vorher. Man hätte glauben mögen, er sei ein Schatten.

Bald darauf ging die Türe wieder auf. »Herr d'Artagnan,« sprach der Kammerdiener.

Ein Offizier trat ein. Es war ein Mann von neununddreißig bis vierzig Jahren, von kleinem Wuchse, doch gut gebaut, mit einem lebhaften und geistvollen Auge, mit schwarzem Bart und Haaren, die zu ergrauen begannen, wie das immer geschieht, wenn man das Leben zu gut oder zu schlecht genossen hat, und zumal, wenn man stark braune Haare hat. D'Artagnan trat vier Schritte in das Kabinett und blieb in ehrfurchtsvoller, doch würdiger Haltung stehen. Der Kardinal richtete sein mehr schlaues als durchdringendes Auge auf ihn, und prüfte ihn aufmerksam; dann sprach er nach einigen Sekunden des Schweigens:

»Ihr seid Herr d'Artagnan?«

»Ich bin es, gnädigster Herr,« entgegnete der Offizier. »Mein Herr,« sprach der Kardinal, »Ihr werdet jetzt mit mir gehen, oder vielmehr, ich will mit Euch gehen.«

»Ich stehe zu Befehl, gnädigster Herr,« antwortete d'Artagnan. »Ich möchte gern selbst die umliegenden Wachtposten des Palais-Royal besichtigen; glaubt Ihr, das sei mit Gefahr verbunden?«

»Gefahr?« fragte d'Artagnan, »und welche denn?«

»Wie es heißt, ist das Volk sehr aufrührerisch.«

»Gnädigster Herr! die Uniform der Musketiere des Königs ist sehr geachtet, und wäre sie das auch nicht, so fühle ich mich doch verbindlich, zu vier ein Hundert dieses Pöbels zu verjagen!«

Die nächtliche Runde

Zehn Minuten darauf trabte die kleine Schar durch die Straße des Bons-Enfants hinter dem Schauspielsaale, den der Kardinal Richelieu erbaute, um darin »Mirame« aufführen zu lassen, und worin der Kardinal Mazarin, der die Musik mehr liebte als die Literatur, die ersten Opern, die in Frankreich gegeben wurden, zur Aufführung brachte. Von Zeit zu Zeit vernahm man ein Getöse vom Quartier der Hallen. Flintenschüsse dröhnten von der Seite der Straße Saint-Denis her, und manchmal fing auf einmal eine Glocke zu läuten an, welche, man wußte nicht weshalb, von der Laune des Volkes in Bewegung gesetzt ward. Als sie in der Nähe des Wachtpostens der Barriere Seigents kamen, wurden sie von der Schildwache angerufen. D'Artagnan gab Antwort, und nachdem er den Kardinal um das Losungswort gefragt hatte, ritt er dahin; das Losungswort war: Louis und Rocroy. Nach dem Austausch dieser Erkennungszeichen fragte d'Artagnan, ob Herr von Comminges den Posten befehlige. Die Schildwache zeigte ihm hierauf einen Offizier, der sich mit der Hand auf den Hals des Pferdes von demjenigen stützte, mit dem er sich eben besprach. Es war derselbe, um welchen d'Artagnan fragte.

»Dort steht Herr von Comminges,« sagte d'Artagnan, als er zu dem Kardinal zurückkehrte. Der Kardinal ritt dahin, während sich d'Artagnan bescheiden entfernt hielt; mittlerweile sah er an der Art und Weise, wie die

Offiziere zu Fuß und die Offiziere zu Pferde ihre Hüte abnahmen, daß sie Seine Eminenz erkannten. »Bravo, Guitaut,« sprach der Kardinal zu dem Reiter, »ich sehe, Ihr seid noch immer munter und treu, und stets derselbe, ungeachtet Eurer vierundsechzig Jahre. Was habt Ihr zu diesem jungen Manne gesprochen?«

»Gnädigster Herr, ich sagte ihm, daß wir in einer seltsamen Zeit leben, und der heutige Tag gleiche so ganz einem jener Tage der Ligue, die ich in meinen jungen Jahren gesehen habe. Wissen Sie, daß man in der Straße Saint-Denis und Saint-Martin von nichts Geringerem sprach, als von der Errichtung von Barrikaden?«

»Und was antwortete Euch Comminges, lieber Guitaut?«

»Gnädigster Herr,« versetzte Comminges, »ich antwortete ihm: »Um eine Ligue zu bilden, fehle Ihnen nur eines, was mir aber hübsch wesentlich scheint - nämlich ein Herzog von Guise. Überdies tut man dasselbe nicht zweimal.«

Hierauf begab man sich zur Inspektion der Wache bei Quinze-Vingts. D'Artagnan ritt mitten durch die Volkshaufen, unbekümmert, als ob er selbst und sein Pferd von Erz wären; Mazarin und Guitaut besprachen sich leise; die Musketiere, welche endlich den Kardinal erkannten, folgten schweigsam nach. Man kam in die Straße Saint-Thomas du Louvre, wo der Wachposten von Quinze-Vingts stand; Guitaut berief einen Unteroffizier, daß er Bescheid gebe.

»Nun?« fragte Guitaut. »O, mein Kapitän,« entgegnete der Offizier, »auf dieser Seite steht alles gut, wenn nichts im Hotel vorgeht, wie mich dünkt.« Er deutete auf ein prächtiges Hotel, das sich bis zu dem Platz hin erstreckte, wo jetzt das Baudevilletheater steht. »In jenem Hotel?« versetzte Guitaut. »Doch das ist das Hotel Rambouillet.«

»Ich weiß es nicht, ob es das Hotel Rambouillet sei,« antwortete der Offizier, »ich weiß nur so viel, daß ich viele Leute von verdächtigem Aussehen in dasselbe treten sah.«

»Bah,« versetzte Guitaut, ein Gelächter erhebend, »das sind Poeten.«

»Nun, Guitaut,« sprach Mazarin, »du wirst doch von diesen Herren nicht so unehrerbietig reden? Weißt du nicht, daß ich in meiner Jugend auch Poet war und Verse komponierte, wie die des Herrn von Benserade sind?«

»Sie, gnädigster Herr?«

»Ja, ja; soll ich dir einige davon rezitieren?«

»Das ist mir gleichviel, Monseigneur, ich verstehe nicht italienisch.«

»Ja, aber französisch verstehst du, nicht wahr, guter und wackerer Guitaut?« erwiderte Mazarin und legte ihm huldreich die Hand auf die Schulter, »und welchen Auftrag man dir auch in dieser Sprache gäbe, so würdest du ihn vollziehen?«

»Allerdings, gnädigster Herr, wie ich es schon getan habe, vorausgesetzt, daß er mir von der Königin zukommt.«