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»Ich muß das Kap vor Wiedereintritt des Hochwassers erreichen!«

Dieser Teil des Landes wurde von der Flut jedesmal völlig überschwemmt. Briant versuchte also, den kürzesten Weg einzuschlagen, zuweilen mußte er Stiefel und Strümpfe ausziehen und durch kniehohes Wasser waten, zudem waren die Klippenwanderungen höchst gefährlich, denn leicht konnte sich ein Fels lösen und ihn mit ins Meer stürzen. An verschiedenen Stellen der Bai sah er Pelzrobben, die nicht die geringste Furcht zeigten. Das bewies, daß seit Jahren keine Jagd mehr auf sie gemacht worden war und also keine Fischer hierherkamen. Außerdem mußte diese Küste in noch höherer Breite liegen, als er zuerst vermutet hatte, in jedem Fall südlicher als Neuseeland. Der Schoner war also bei seiner Irrfahrt über den Stillen Ozean beträchtlich nach Südosten abgetrieben. Es war schon 10 Uhr morgens, ein Beweis, wieviel Zeit Briant für die letzten paar Kilometer gebraucht hatte; erschöpft und ausgehungert, hielt er es für das beste, sich erst einmal mit Fleisch und Wasser zu stärken, bevor er die Besteigung des hohen Vorgebirges in Angriff nahm. Allein und von seinen Kameraden weit entfernt, versuchte er sich über die Lage der kleinen Gesellschaft klarzuwerden. Vor allem Doniphans Benehmen machte ihm Sorgen. Eine Spaltung der Gruppe mußte die schwersten Folgen für alle Schiffbrüchigen haben, das wußte er. Dann dachte er an seinen Bruder, der ihm irgend etwas verheimlichte; er wollte so lange in ihn dringen, bis er ihm seinen Kummer gestand.

Briant dehnte seine Ruhepause ungefähr eine Stunde aus, um wieder richtig zu Kräften zu kommen, dann packte er seine Sachen zusammen und ging weiter. Er beobachtete, daß eine enge Schlucht das Vorgebirge vom Steilufer trennte; auf der anderen Seite erstreckte sich das Vorland über Sehweite nach Norden hinaus. Die Ersteigung war ziemlich beschwerlich, Briant mußte von einem Fels zum anderen springen, wäre er nicht ein so vorzüglicher Kletterer gewesen, hätte er sicherlich wieder umkehren müssen, denn oft genug konnte er nur mit Mühe die obere Kante einiger Felsbrocken erklimmen. Endlich aber war er oben angelangt. Mit dem Fernrohr schaute er nach Osten. Diese Gegend war völlig flach, das Steilufer war bisher die größte Erhebung dieses Landes. Überall sah man Wälder. Es hatte nicht gerade den Anschein, als begrenzte das Meer an dieser Seite das Land. Die Frage, ob Festland oder Insel, mußte also immer noch unbeantwortet bleiben; dazu war eine weitere längere Reise nach Osten notwendig. Nach Norden zu erkannte Briant kein Ende des Vorlandes, nach Süden zu und hinter dem anderen Vorgebirge, das sich dort am Ende der Bai erhob, verlief die Küste von Nordosten nach Südwesten und begrenzte einen ausgedehnten Sumpf, der mit dem öden Vorland im Norden auffallend kontrastierte.

Briant schwenkte das Fernrohr nach allen Seiten. War er mit seinen Kameraden auf einer Insel oder auf einem Festland? War es eine Insel, so mußte sie ziemlich groß sein, mehr war vorläufig nicht auszumachen. Er wandte sich der Westseite zu. Das Meer glänzte unter den schrägen Strahlen der Sonne, die allmählich zum Horizont herabsank. Plötzlich fuhr er zusammen.

»Schiffe!!« rief er, »vorübersegelnde Schiffe!« Am äußersten Rand der Meeresfläche zeigten sich tatsächlich 3 schwarze Punkte. Briant war seltsam erregt. War er nur das Opfer einer Augentäuschung oder sah er dort wirklich Schiffe? Er konnte trotz größter Anstrengung weder Rauchsäulen noch Segel erkennen, nur die 3 dunklen Punkte auf der Linie zwischen Meer und Himmel. Aber diese Punkte bewegten sichnicht; es waren wohl nur 3 kleine Inseln, sagte sich Briant enttäuscht.

Jetzt war es 14 Uhr. Die Ebbe setzte bereits wieder ein und legte den seitlichen Klippengürtel frei. Briant mußte aufbrechen. Aber er wollte vorher noch einmal einen kurzen Blick nach Osten machen, wie um sich zu vergewissern, daß er auch nichts Entscheidendes übersehen habe. Er sollte diese Mühe nicht zu bereuen haben, denn jetzt sah er jenseits der Wälder deutlich eine bläuliche Linie, die sich von Norden nach Süden hin fortsetzte, eine Linie, deren Enden sich in den Wäldern verliefen.

»Was ist das?« fragte er sich.

Noch einmal blickte er scharf hinaus.

»Das Meer!... Ja ... das ist das Meer!«

Fast wäre ihm sein Fernrohr aus den Händen gefallen. Da, sich das Meer auch im Osten erstreckte, war jetzt jeder Zweifel beseitigt: dieses Land war kein Festland, sondern eine Insel, eine jener Inseln in der grenzenlosen Weite des Stillen Ozeans, von der sie wohl nie mehr fortkommen würden. Briants Herz krampfte sich bei diesen Gedanken zusammen, die Enttäuschung lahmte ihm all seine Glieder. Aber dennoch durfte er sich nicht niederdrücken lassen! Eine Viertelstunde später war Briant wieder zum Strand hinuntergestiegen, gegen 17 Uhr erreichte er die Sloughi, wo ihn alle mit Ungeduld erwarteten.

6

 Nach dem Abendessen erzählte Briant von seiner Reise, danach faßte er zusammen :

»Im Osten, jenseits der Wälder, habe ich eine sehr deutliche Wasserlinie wahrgenommen, die von Norden nach Süden verläuft. Ich zweifle nicht, daß es sich dabei um das Meer handelt. Die Sloughi ist also auf eine Insel geworfen worden.«

Anfänglich war unter den Großen, die Briant zuhörten, große Erregung. Doch da meldete sich Doniphan.

»Das sagt noch gar nichts, vielleicht hat sich Briant auch getäuscht!«

»Ja, Briant«, pflichtete Croß ihm bei, »möglicherweise hast du alles mit einer niedrig hängenden Wolkenbank verwechselt.«

»Nein, nein, ich bin fest überzeugt, daß sich im Osten Wasser befindet, das wohl zum Meer gehört.«

»In welcher Entfernung?«

»Etwa 9 km vom Vorgebirge!«

»Und bis dahin gab es keine Berge?«

»Nein, nur Himmel!«

Briant war seiner Sache sicher. Und Doniphan beharrte darauf, dessen Ausführungen anzuzweifeln.

»Ich wiederhole«, erklärte er, »Briant kann sich täuschen. Solange wir uns nicht mit eigenen Augen überzeugt haben ...«

»Wird sehr bald geschehen«, unterbrach ihn Gordon. »Wir müssen genau wissen, woran wir sind.«

»Ich möchte noch sagen«, fügte Baxter an, »daß wir keinen Tag verlieren dürfen. Die schlechte Jahreszeit kommt immer näher.«

»Morgen werden wir, falls es das Wetter erlaubt, einen mehrtägigen Ausflug unternehmen«, sagte Gordon.

»Ausgezeichnet, und wenn wir die andere Seite der Insel erreicht haben. ..«

»Wenn es eine Insel ist«, beharrte Doniphan.

»Aber es ist eine, glaub mir. Ich habe das Meer doch deutlich genug wahrgenommen. Du widersprichst nur aus Gewohnheit, Doniphan.«

»Bist du denn unfehlbar?«

»Davon sprechen wir ja nicht. Ich werde noch einmal die Sache untersuchen, wenn du mich dabei begleiten willst... «

»Komisch, das ist doch klar, daß ich mich selbst davon überzeugen werde.«

»Und wir auch!« riefen die anderen.

»Langsam, Freunde, alle können wir nicht gehen; die Kleinsten müssen ohnehin zurückbleiben, außerdem muß dann noch eine Aufsicht dasein, um sie eventuell zu beschützen. Man weiß ja nie! Außer Doniphan und Briant können noch 2 andere mitgehen.«

»Ich!« meldete sich Wilcox.