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Es mußte etwas geschehen.

Eddie sah auf die dunkle Öffnung in der Motorhaube. Er holte einmal ganz tief Atem und ließ die Bombe in den Schacht gleiten. Schnell schloß er die Öffnung und schlich sich aus der Flugzeughalle.

Als er draußen war, erinnerte er sich, daß er seine Hilflosigkeit an dem kleinen Zeitring der Bombe ausgelassen hatte. Er hatte ihn verstellt, nur um etwas zu tun, und es hatte mehrere. Minuten gedauert, bis er sich dieser Reflexhandlung bewußt wurde. Schließlich war es ja auch nicht so wichtig, an welcher Stelle das Flugzeug ins Wasser fiel, entschuldigte er sich.

Um wieviel er jedoch den Zeitzünder verstellt hatte, wußte niemand, am allerwenigsten Eddie Bates.

16.

Ich muß daran denken, dachte Martino, als er in das Büro Azarins gebracht wurde, daß das K-88 keine Handelsware ist, die man gegen etwas anderes, wie zum Beispiel die Freilassung eintauschen kann. Irgendwie muß ich versuchen, Azarins Aufmerksamkeit auf andere kleine Einzelheiten meines Lebens zu lenken. Schließlich gibt es im Leben eines jeden Mannes etwas, das einen anderen interessiert. Ich muß, ihm erzählen, wie sehr ich mich in der Schule schämte, wenn ich einmal austreten mußte, oder wie verlegen ich wurde, wenn ich ein Mädchen ansprechen sollte. Ich muß mich an Klatsch erinnern, den man sich in den Labors über Johnson, den Astrophysiker, erzählte, oder über Bernstein, den Biologen. Alles das kann ich ihm erzählen, aber ich darf nicht auf das K-88 zu sprechen kommen, denn das ist nicht die eigentliche Bestimmung des Projektes.

Ich muß immer daran denken, überlegte er sich mit Nachdruck, daß ich nichts über das K-88 weiß. Das ist meine stärkste Waffe gegen das Bedürfnis, endlich zu reden. Ich muß überrascht oder desinteressiert scheinen, wenn man Einzelheiten von mir erwartet.

»Bitte, Doktor der Wissenschaften, Martino, setzen Sie sich«, sagte Azarin mit einem Lächeln.

Martino fühlte, wie in ihm ein Lächeln aufstieg. Er spürte die Lust des Verrats, jetzt, da endlich jemand mit ihm redete und ihn bei seinem Namen nannte.

Er dachte in diesem Augenblick nicht daran, daß seine Gefühle hinter der Maske, die sein Kopf war, verborgen blieben, und er ärgerte sich, daß Azarin so leicht seine Verteidigung zu durchbrechen verstand.

Ich muß immer daran denken, daß ich nichts sagen darf. Wenn ich einmal angefangen habe, fürchte ich, daß die Versuchung zu reden zu groß sein wird. Ich muß gegen mich kämpfen, durchfuhr es ihn.

»Möchten Sie eine Zigarette?« Azarin reichte ihm die Sandelholzdose über den Schreibtisch.

Martinos rechte Hand zitterte. Er griff mit der linken in die Dose und zerquetschte ungelenk die Papyros.

Er sah, wie Azarin seine Stirn in Falten legte. Martino hätte schreien mögen, daß er den Mann so beleidigt hatte, aber er brachte keinen Ton heraus.

Ich darf nicht vergessen, daß ich andere Freunde habe, dachte er. Wenn ich hier nachgebe, werden Edith und Barbara darunter zu leiden haben.

In panischem Entsetzen dachte er daran, daß Edith und Barbara vielleicht gar nicht mehr an ihn dachten, daß vielleicht niemand mehr, außer diesem Azarin, an ihn dachte.

Ich muß daran denken. Ich muß daran denken, mich bei Edith und Barbara zu entschuldigen, wenn ich jemals hier herauskommen sollte.

Azarin lächelte. »Ein Glas Tee?«

Soll ich? Wenn ich den Tee annehme und trinke, muß ich den Mund öffnen. Werde ich ihn dann auch wieder schließen können?

»Haben Sie keine Angst, Doktor der Wissenschaften, Martino. Alles wird in Ordnung gehen. Wir werden hier sitzen und uns unterhalten. Sie werden sprechen, und ich werde zuhören.«

Martino spürte, wie die Wahrheit in ihm aufstieg. Ich muß an die Schule denken, an Johnson. Warum? Weil das K-88 nicht dazu bestimmt ist, eine Bestechung zu sein. Aber warum eigentlich nicht?

Er hörte, wie er dachte, und er war fasziniert von dem Phänomen der Gleichzeitigkeit in seinem Bewußtsein. Wie das wohl möglich war? Benutzten die beiden Aktionen den gleichen Mechanismus? Waren sie wirklich gleichzeitig übereinandergelagert? Oder benutzen sie das gleiche Organ hintereinander?

»Spielen Sie mit mir?« schrie Azarin. »Was geht hinter Ihrem Blechgesicht vor? Lachen Sie über mich?«

Martino sah überrascht auf Azarin. Was sollte er getan haben? Es war ihm nicht bewußt geworden, daß eine ziemlich lange Zeit seit Azarins letzter Frage vergangen war. Und daß er ein undurchsichtiges, totes Metallgesicht trug, das nichts verriet, und daß sein künstlicher Greifarm drohend vor ihm lag, kam nur sehr langsam in sein Bewußtsein.

»Martino, ich habe Sie nicht zum Scherz hierherbringen lassen!« Azarin kniff seine Augen zusammen. Martino glaubte Angst unter der Wut zu sehen und war verwirrt. »Hat Rogers dies alles eingefädelt? Hat er Sie vorsätzlich hierher geschickt?«

Martino wollte seinen Kopf schütteln und ihm alles erklären. Aber er unterließ es, denn er erkannte plötzlich, daß es gar nicht mehr nötig war, Azarin Erklärungen zu geben; er hatte bereits seine Aufmerksamkeit auf ein Gebiet gelenkt, das nichts mit dem K-88 zu tun hatte.

Das Telefon klingelte. Es war das harte Schellen, das Azarin so gut kannte. Wieder so ein Gespräch aus Novoya Moskva!

Azarin hob den Hörer ab und meldete sich.

Martino beobachtete ihn ohne Neugier. Er sah, wie sich Azarins Augen weiteten. Als er das Gespräch beendet hatte und mit leiser, enttäuschter Stimme sagte: »Ihr Studienfreund Heywood ist heute sechshundert Meilen zu früh ertrunken«, verstand Martino immer noch nichts.

* * *

Martino saß bewegungslos in der Tatra-Limousine. Sie näherten sich der Grenze. Der SIB-Begleiter neben ihm hatte die ganze Zeit über versucht, sein bißchen Englisch zu gebrauchen. Er hatte ihm gesagt, daß sein Name Yung sei und daß er aus Asien stamme.

Martino dachte daran, daß drei Monate vergeudet worden waren. Hoffentlich hatte man nicht versucht, die Versuchsaufstellung des K-88 in der gleichen Weise wieder aufzubauen, wie er es schon einmal getan hatte.

Er suchte in seiner Erinnerung nach der modifizierten Version, an die er schon einmal im Krankenhaus gedacht hatte. Seit zwei Wochen hatte er sich darum bemüht, aber es war ihm nicht gelungen. Doktor Kothu und ein Therapeutiker hatten ihm zwar gesagt, daß er während der ersten Zeit Erinnerungsschwierigkeiten haben würde, aber daß sein Gedächtnis so lückenhaft war, ärgerte ihn. Immerhin, man hatte ihm angedeutet, daß es sich mit der Zeit geben würde.

»Da sind wir«, sagte Yung. Er strahlte über das ganze Gesicht.

»Ja.« Martino sah den Grenzschlagbaum und die sowjetischen Posten. Auf der anderen Seite konnte er eine Gruppe Alliierter Soldaten erkennen, sowie einen Wagen, aus dem zwei Herren stiegen.

Er schritt langsam über die Grenze auf die beiden Männer zu. Es wird Schwierigkeiten geben, dachte er. Diese Leute hier sind an mein Aussehen nicht gewöhnt, und es wird eine Weile dauern, bis sie es überwunden haben.

Aber ich werde es schon schaffen. Schließlich ist ein Mensch mehr als nur eine Ansammlung von Gesichtszügen. Ich werde bald wieder arbeiten und darüber dieses Problem vergessen. Wenn mir der Gedanke, den ich im Krankenhaus hatte, nicht mehr einfällt, so werde ich mir eben etwas anderes ausdenken müssen.

Es war eine sehr harte Zeit, ging es ihm durch den Kopf, als er durch das Betontor schritt, aber bis jetzt ist noch nichts verloren.

ENDE