Выбрать главу

»Nein.«

»Das habe ich auch Karl Schwenn gesagt.«

»Spitzt der immer noch an?«

»Shawn, er kann nicht anders. Das K-88-Projekt hängt seit Monaten in der Luft. Ich kann Ihnen nicht oft genug sagen, wie wichtig dieses Projekt ist. Ich nehme an, Sie wissen, was im Augenblick in Afrika los ist. Wir müssen etwas haben, das wir zeigen können. Wir müssen den Sowjets etwas vorhalten können. Das Ministerium verlangt von uns eine Entscheidung über diesen Mann, und zwar bald.«

»Tut mir leid, Chef. Wir sezieren den Kerl wie einen Zeitzünder. Aber wir finden nichts, was uns sagen könnte, wessen Zeitzünder er ist.«

»Aber es muß doch etwas geben.«

»Herr Deptford, wenn wir einen Mann über die Grenze schicken, geben wir ihm Ihre Identifikationspapiere. Ja, noch mehr, wir stecken ihm Ihre Münzen in die Tasche, Ihre Schlüssel, Ihre Zigaretten, Ihre Kämme. Wir geben ihm Rechnungen von drüben mit, wir geben ihm eine Geschichte, Verwandte und Freunde. Wir denken an alles, nichts bleibt unberücksichtigt.«

Er konnte hören, wie Deptford seufzte.

»Unsere Leute sind Autoschlosser, Bäcker oder Straßenbahnschaffner. So ein Mann beantwortet ihre Fragen wie ein Straßenbahnschaffner, ist überrascht wie ein Straßenbahnschaffner und stirbt, wenn es sein muß, wie ein Straßenbahnschaffner.«

»Ja«, sagte Deptford. »Ja, ich weiß. Glauben Sie, daß Azarin auch glaubt, es sei ein Straßenbahnschaffner?«

»Mag sein. Aber er kann es sich nicht leisten, es offen zu bekunden.«

»Shawn, hören Sie zu, wir müssen unsere Antwort bald vorlegen.«

»Das weiß ich.«

Deptford machte eine Pause. »Ich weiß, Shawn, daß man Sie in der letzten Zeit ziemlich hart angefaßt hat.«

»’n bißchen.«

»Gut, Shawn. Ich werde es den Leuten im Ministerium erklären, und Sie tun nach wie vor, was Sie können.«

»Danke, Chef.«

»Gute Nacht, Shawn. Legen Sie sich noch einmal nieder und versuchen Sie zu schlafen.«

»Gute Nacht, Chef.« Rogers ließ den Hörer auf die Gabel fallen und starrte in die Dunkelheit. Komisch, dachte, ich wollte immer etwas Besonderes werden; ich wollte studieren, aber meine Familie wohnte leider nur in der Nähe der Docks von Brooklyn. Ich wollte wissen, was ein kategorisches Imperativ ist, wie Byron seine Gedichte geschrieben hat, und so weiter. Aber ich mußte in den Schulferien bei einer Versicherungsgesellschaft arbeiten und komischerweise in der Forschungsabteilung. Daß ich jetzt hier sitze, ist also gar kein richtiger Zufall.

Rogers hatte selten solche Gedanken. Er liebte seine Arbeit und hatte nie viel darüber nachgedacht, was geworden wäre, wenn er damals woanders gelandet wäre. Er zog seine Schuhe an, ging an seinen Schreibtisch und knipste das Licht an.

* * *

Nach einer Woche fingen sie an, Kleinigkeiten zu entdecken.

Barrister legte Rogers seine erste Schaltzeichnung auf den Schreibtisch. »So ungefähr arbeitet sein Kopf. Es sind vorerst nur Annahmen, denn wir haben Schwierigkeiten, klare Röntgenbilder zu bekommen.«

Rogers warf einen Blick auf die Zeichnung. Barrister benutzte seine Pfeife, um Einzelheiten zu erklären.

»Hier zum Beispiel seine Augen. Er hat binokulares Sehvermögen mit automatischer Brennweiteneinstellung und servomotorischen Drehimpuls. Die Kleinstmotore werden von der Miniaturbatterie hier in seinem Brustkasten gespeist. Das gleiche gilt für die anderen künstlichen Organe. Interessant ist, daß er einen ganzen Satz Filter zur Verfügung hat, die es ihm sogar erlauben, infrarote Wellenlängen zu sehen.«

Rogers blies einen Tabakkrümel von seiner Lippe. »Das ist interessant.«

Barrister fuhr fort: »Und neben den Augen sind seine akustischen Aufnahmegeräte, seine Ohren sozusagen. Es scheint, daß sie es für angebracht hielten, beide Funktionen in die einzige Kopföffnung zu verlegen. Sie haben einen Richtungsweiser, der jedoch nicht so gut arbeitet wie Gottes Schöpfung in unseren Ohren. Und hier ist noch etwas Interessantes; die Klappe, die den Spalt verschließt, ist gepanzert, um die feinen Instrumente zu schützen. Das aber bedingt, daß er taub ist, wenn er seine Augen schließt. Möglicherweise schläft er dadurch ruhiger.«

»Wenn er uns keine Alpträume vorspielt.«

»Oder sie wirklich hat«, brummte Barrister, »aber das ist nicht meine Abteilung.«

»Aber leider meine. Gut. Und das andere Loch?«

»Sein Mund? Die Kinnlade ist unbeweglich und unzerbrechlich. Seine Speichelauslässe und seine Zähne sind künstlich. Nicht aber seine Zunge. Der Mund selbst ist innen mit Plastik ausgelegt, sehr wahrscheinlich mit Teflon. Meine Leute haben es nicht leicht, das Zeug zu analysieren. Martino dagegen kommt uns sehr entgegen, er läßt uns bereitwillig Proben nehmen.«

Rogers leckte an seinen Lippen, dann sagte er plötzlich: »Ja, aber wie ist all dies in seinem Gehirn verankert? Wie bedient er den ganzen Kram?«

Barrister schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Er benutzt alles so, als sei er damit geboren. Wir nehmen an, daß es eine Verbindung zum bewußten und unbewußten Nervenzentrum gibt.

Wie die aussieht, wissen wir nicht. Und ich bin nicht der Mann, der es wagt, ihn auseinanderzunehmen. Ich habe Angst, daß ich ihn nicht wieder zusammenkriege. Eins jedoch weiß ich: irgendwo in dem Blechgehäuse befindet sich ein normal funktionierendes menschliches Gehirn. Wie die Sowjets das fertiggebracht haben, steht auf einem anderen Blatt. Sie dürfen nicht vergessen, daß sie seit langem in dieser Richtung experimentiert haben.« Er hatte eine zweite Zeichnung auf die erste gelegt und übersah Rogers Verwirrung.

»Hier ist sein Energiezentrum. Wir haben es nur angedeutet; aber ich glaube mit großer Wahrscheinlichkeit sagen zu können, daß es sich um eine gewöhnliche Taschenlampenbatterie handelt. Sie befindet sich in der Nähe seiner ehemaligen Lungen, gleich neben dem Gebläse, das seine Stimmbänder zum Schwingen bringt und für die Sauerstoffverteilung sorgt. Ein ganz phantastisches Ding übrigens.«

»Wir stark ist die Batterie abgeschirmt?«

In Barristers Antwort lag ein gewisses Maß von fachlicher Bewunderung. »Immerhin so stark, daß wir nur verschwommene Röntgenbilder bekommen. Natürlich nimmt der Energievorrat langsam ab. Er wird in ungefähr fünfzehn Jahren sterben.«

»Hm.«

»Wenn die da drüben darum besorgt wären, ob er lebt oder stirbt, hätten sie uns doch wenigstens ein Schaltschema mitschicken können!«

»Immerhin waren sie am Anfang darum besorgt. Und vielleicht sind fünfzehn Jahre für sie genug — wenn er nicht Martino ist.«

»Und wenn er Martino ist?«

»Wenn er Martino ist und sie mit ihren Überredungskünsten bei ihm gelandet sind, können fünfzehn Jahre immer noch lange genug sein.«

»Und wenn er Martino ist und nicht auf sie hereingefallen ist, wenn er immer noch der gleiche ist, der er bei uns war? Wenn er kein Marsmensch ist, sondern ganz einfach Lucas Martino, Physiker?«

Rogers ließ den Kopf sinken. »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Antworten mehr auf Lager. Aber wir müssen es rauskriegen, und wenn wir jeden einzelnen ausquetschen, mit dem er mal gesprochen hat.«

2.

Lucas Martino wurde im Krankenhaus der kleinen Stadt, nahe der Farm seines Vaters, geboren. Seine Mutter starb bei der Geburt, und so war er der einzige und älteste Sohn von Matteo, Serafino Martino, Farmer in Milano bei Bridgetown, New Jersey. Er erhielt den Namen seines Onkels, der den Eltern das Geld zur Überreise in die Vereinigten Staaten und zum Ankauf der Farm gegeben hatte.

Milano in New Jersey war eine Ansammlung von Tomatenfeldern, Pfirsichgärten und Hühnerfarmen. Sein Mittelpunkt war ein Kaufhaus, in dem es alles gab und das zugleich die Post war. Etwa eine Meile nach Norden verlief die Bundesstraße Philadelphia-Atlantic-City. Im Westen sah man die Eisenbahnschienen, die Camden mit Cape May verbanden. Die Grundlinie dieses Dreiecks bildete eine andere Bundesstraße. Sie führte von der Jersey-Küste bis zum Delaware. Bridgetown lag am Schnittpunkt dieser Verkehrswege, aber Milano inmitten dieses Dreiecks. Auf keiner Seite waren es mehr als fünf Minuten bis zu dem, was die meisten Menschen die Welt nennen — und trotzdem war es weit genug.