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In der Zwischenzeit hatte man auf die Plattform des fremden Raumschiffes einen Würfel aus einem rötlichen Metall gebracht. Seine Vorderwand war dunkel und sah wie ein Bildschirm aus. Zwei weiße Gestalten beugten sich darüber, richteten sich wieder auf und zogen sich dann zurück. Vor den Augen der Erdbewohner leuchteten auf dem Bildschirm menschenähnliche Figuren auf, deren oberer Teil sich im gleichen Rhythmus bald ausdehnte, bald zusammenzog. Kleine weiße Pfeile zeigten abwechselnd nach dem Innern der Figuren und nach außen.

„Eine geniale Idee — und wie einfach: das Atmen!“ rief Afra begeistert aus. „Sie möchten uns klarmachen, wie sie atmen. Wie wird aber nun die Zusammensetzung ihrer Atmosphäre sein?“

Gleichsam als Antwort auf ihre Frage verschwand in diesem Augenblick das die Atmung veranschaulichende Modell von dem Schirm und machte einem anderen Bild Platz. Ein schwarzer Kern innerhalb eines grauen, ringförmigen Wölkchens — kein Zweifel, damit sollte ein Atomkern versinnbildlicht werden — und um ihn herum dünne Schalen leuchtender Pünktchen — natürlich, das waren die Elektronen! Mut Ang fühlte, wie es ihm vor Bewunderung und Staunen die Kehle zuschnürte; er hätte jetzt kein Wort herausbringen können. Auf dem Bildschirm waren vier Schemata zu sehen, von denen offenbar jedes ein anderes Element darstellte. Die Anordnung war so, daß zwei Modelle in der Mitte des Schirmes erschienen, und zwar das eine über dem anderen, beide durch einen dicken Strich miteinander verbunden, während sich die beiden anderen links und rechts oben befanden, wobei ihre Zusammengehörigkeit durch kleine Pfeile angedeutet war.

Klopfenden Herzens begannen die Raumfahrer die Elektronen der einzelnen Modelle zu zählen. Das untere war das Modell des Grundelementes der Ozeane: ein Elektron, das den Kern umkreist — Wasserstoff.

Das darüber befindliche gab sicherlich einen Hauptbestandteil der Lufthülle und die wichtigste Voraussetzung für die Atmung wieder: 9 Elektronen um den Kern herum — Fluor!

„O weh!“ rief Afra Dewi enttäuscht aus. „Fluor!“

„Zählen Sie einmal“, fiel ihr der Kommandant ins Wort. „Links oben — 6 Elektronen: Kohlenstoff, und rechts — 7: Stickstoff. Jetzt ist alles klar. Geben Sie durch, daß sofort eine entsprechende Tafel über die Zusammensetzung unserer Atmosphäre und unseres Stoffwechsels fertiggemacht werden soll — alles genauso wie dort drüben, nur an Stelle des Fluors das Sauerstoffmodell mit seinen 8 Elektronen. Wie schade, tausendmal schade!“

Als die Erdbewohner ihre Tafel aufgestellt hatten, konnten sie deutlich beobachten, wie die vorn stehende weiße Gestalt auf der Brücke ihres Schiffes zu schwanken anfing und die Hand wie in einer Abwehrbewegung gegen einen übermäßigen Schmerz nach oben an die Muschel ihres Schutzanzuges riß. Nur zu gut konnte Mut Ang mitempfinden, was jetzt im Innern des Kommandanten des fremden Raumschiffes vor sich ging, ja, jener da drüben schien sogar noch mehr erschüttert zu sein, als er selbst es war.

Jetzt beugte sich die weiße Gestalt weit über die Brüstung der kleinen Brücke und machte mit dem Arm eine heftige, weitausholende Bewegung, als wolle sie irgend etwas in der Leere des Raums in Stücke schlagen. Dabei neigte sich die stachlige Umkränzung seiner Kopfmuschel bedrohlich nach der „Tellur“ hin, die einige Meter von dem weißen Schiff im Raume schwebte. Dann aber erhob der fremde Kommandant beide Arme hoch über seinen Kopf und ließ sie langsam und in gleichem Abstand voneinander wieder sinken, als wolle er damit zwei parallele Flächen andeuten.

Mut Ang machte diese Geste nach. Darauf erhob der Kommandant des fremden Raumschiffes eine Hand hoch über sich als ein Zeichen seines stummen Grußes, wandte sich um und verschwand in dem dunklen Schlund, der hinter ihm gähnte. Ihm folgten die übrigen.

„Wir wollen auch gehen“, sagte Mut Ang und drückte auf den Hebel zum Senken der Plattform.

Die Ausstiegluke schloß sich, die Beleuchtung der Schleusenkammer leuchtete auf, das leise Surren der Pumpen war wieder hörbar.

„Werden wir Zwischenwände bauen und dann die Gänge miteinander verbinden?“ fragte Jaß Tin den Kommandanten, sobald sie sich von den unbequemen Schutzhelmen befreit hatten.

„Ja. Das wollte auch der Kommandant da drüben mit seinen Armbewegungen andeuten. Wie ärgerlich: Was für sie das Elixier des Lebens ist, das Fluor, ist für uns ein Bote des Todes! Und für sie bedeutet Sauerstoff Tod, wie er für uns Leben bedeutet! Viele unserer Stoffe, Farben, Metalle, die stabil und dauerhaft in unserer Sauerstoffatmosphäre sind, würden bei der kleinsten Berührung mit dem Atem jener Fremden der Zerstörung anheimfallen. An Stelle von Wasser haben sie flüssigen Fluorwasserstoff, der in wässeriger Lösung als sogenannte Flußsäure bei uns zum Ätzen von Glas Verwendung findet und der fast alle Mineralien zerstört. Denn das Silizium als Bestandteil der meisten Gesteinsarten ist in Flußsäure leicht löslich. Aus diesem Grunde müssen wir eine durchsichtige Scheidewand aufstellen, die keinen Sauerstoff durchläßt, während sie eine gleiche Wand aus einem Stoff errichten werden, der das Fluor zurückhält. Aber gehen wir jetzt, wir müssen uns beeilen. Wir werden alles Weitere beraten, während die Zwischenwand hergestellt wird.“

Auf dem mattblauen Böden des Arbeitsraumes, der zwischen den Wohnund den Maschinenräumen der „Tellur“ lag, sah es aus wie in einer chemischen Fabrik. Aus bereits auf der Erde vorbereiteten Bestandteilen war aus einem kristallklaren Kunststoff eine dicke Platte ausgegossen worden, die, nachdem sie mit Heizteppichen erwärmt und in die richtige Form gebracht worden war, jetzt allmählich erkaltete und fest wurde.

Auf dem fremden Schiff waren unterdessen auch nicht die geringsten Anzeichen des Lebens und der Tätigkeit seiner Besatzung zu erkennen, obwohl die Beobachter an den Bildschirmen unablässig nach solchen Spuren Ausschau hielten. In der Bibliothek der „Tellur“ arbeitete man fieberhaft. Alle Besatzungsmitglieder, sofern sie nicht anderweitig eingesetzt waren, suchten Raumfilme und Tonbandaufnahmen über die Erde sowie Reproduktionen der hervorragendsten Kunstwerke der Menschheit heraus und stellten sie zusammen. In aller Eile wurden Diagramme und Darstellungen mathematischer Funktionen sowie Schemata der Kristallgitter der am häufigsten in der Erdrinde, auf anderen Planeten sowie auf der Sonne vorkommenden kristallinischen Stoffe vorbereitet. Schließlich wurde eine große Raumbildvorführungswand hergerichtet und ein Tongerät für Obertöne, das den Klang der menschlichen Stimme naturgetreu wiedergab, mit einem fluorfesten Schutzüberzug versehen.

Während der kurzen Imbißpausen erörterten die Raumfahrer die sonderbare Zusammensetzung der Atmosphäre, die in der Heimat der fremden Kosmosreisenden vorhanden sein mußte.

Der unter Ausnutzung der Strahlungsenergie eines Himmelskörpers vor sich gehende Stoffwechsel mußte sich auch bei den Fremden nach dem gleichen Umwandlungsschema wie auf der Erde vollziehen. Etwas anderes war gar nicht denkbar. Das die Stoffumsetzung bewirkende Gas, mochte es nun Sauerstoff, Fluor oder irgendein anderes sein, konnte sich letztlich nur infolge der Lebenstätigkeit der Pflanzen in der Luft ansammeln. Das tierische Leben, und darunter fiel auch der Mensch, verbrauchte den Sauerstoff oder, wie bei den Fremden, das Fluor in Verbindung mit Kohlenstoff und baute daraus den Körper von Tier und Mensch auf. Höchstwahrscheinlich war auf dem fremden Planeten ein ganzer Ozean von Fluorwasserstoff vorhanden. Nicht anders als bei uns auf der Erde das Wasser würde dort der Fluorwasserstoff der Pflanzenwelt ermöglichen, Kohlehydrate zu bilden und frei gewordenes Fluor auszuscheiden. Dieses diente dann, gemischt mit Stickstoff, den Menschen und Tieren zur Atmung. Aus dem Verbrennungsprozeß des Kohlehydrats im Fluor gewannen sie Energie. Ausatmungsprodukte mußten dann bei Mensch und Tier Fluorkohlenstoff und Fluorwasserstoff sein[3]. Dieser dem irdischen analoge Stoffaustausch ergab wahrscheinlich eine um das Anderthalbfache größere Ausbeute an Energie als der auf der Oxydation beruhende Stoffwechsel auf der Erde. Da war es nicht zu verwundern, daß er zur Entwicklung eines auf hoher Stufe stehenden denkenden Lebens geführt hatte. Die im Vergleich zum Sauerstoff weit größere Aktivität des Fluors ließ zugleich auf eine viel stärkere Strahlung des betreffenden Himmelskörpers schließen. Zur pflanzlichen Photosynthese waren auf Fluorbasis gelblichgrüne Strahlen wie die unserer Sonne nicht ausreichend. Dazu waren energiereichere blaue und violette Strahlen erforderlich. Es lag auf der Hand, daß die „Sonne“ der Fremden ein blauer Stern von sehr hoher Temperatur sein mußte.

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3

Daß es wirklich einen Planeten im Weltall gibt, in dessen Atmosphäre Fluor in der Menge vorkommt wie bei uns der Sauerstoff, ist sehr unwahrscheinlich. Nimmt man an, daß ein solcher existiert, dann kann auf ihm, wenn Wasserstoff vorhanden ist, auch eine dem irdischen Wasser physikalisch ähnliche Flüssigkeit existieren, denn das Fluor kann mit Wasserstoff eine Verbindung eingehen, die — Fluorwasserstoff genannt — bei einer Atmosphäre Luftdruck zwischen — 80° und + 20 °C flüssig ist, ähnlich wie unser Sauerstoff mit Wasserstoff eine Verbindung eingeht, die — Wasser genannt — bei einer Atmosphäre Luftdruck zwischen 0 °C und + 100 °C flüssig ist. Es dürfte aber völlig unmöglich sein, eine den irdischen Verhältnissen vollkommen analoge Chemie aufzubauen, einschließlich organischer Substanzen und Stoffwechsel, in der das Fluor die Rolle des Sauerstoffes übernimmt. Dasselbe gilt für die Ersetzung des Sauerstoffes durch irgendein anderes Element. Alle diesbezüglichen Schilderungen einschließlich der von den Fluorplaneten und seinen Menschen sind freie Erfindung des Autors, jedoch nicht ohne tiefen symbolischen Gehalt.