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Der Hausherr erfreute sich noch eine Weile am Licht der Lampe und setzte sich dann am anderen Ende des Tisches ebenfalls auf die Holzbank, um auf das Essen zu warten.

Die gedünsteten Kartoffeln mit Speck waren nicht im Geringsten mit dem Essen im Paradies zu vergleichen, aber der Engel aß mit Behagen. Am meisten freute er sich jedoch über das weiche und sättigende Brot. Sein Gastgeber stürzte sich ebenfalls auf das Essen, als habe er buchstäblich das halbe Land mit dem Pflug beackert. Er kaute gierig und hatte es irgendwie sehr eilig.

„Noch mehr davon?“, fragte die Hausfrau.

„Nein, danke…“, sagte der Engel.

Der Hausherr schüttelte nur verneinend den Kopf.

„Dann bringe ich den Rest nach unten“, sagte die Frau und nahm den bauchigen Topf vom Tisch.

Sie ging mit ihm in die zur Flurtür nächstgelegene Stubenecke und hob mit einer Hand eine Holzplatte hoch – den Eingang zum Keller.

Der Engel aß zu Ende und spürte, dass es ihm guttun würde, sich niederzulegen. Er warf einen Blick auf den Gastgeber, der aber immer noch kaute, deshalb sah der Gast in die andere Richtung und sein Blick fiel auf die Hausfrau, die soeben ohne den Topf aus dem Keller zurückkam.

Inzwischen hatte die Dunkelheit alles Leben vor dem Fenster eingehüllt, und der Gastgeber, der mit dem Gesicht zum Fenster saß, kaute an der letzten Scheibe Brot, gähnte ausgiebig und machte sofort ein Kreuzzeichen vor seinem Mund.

„Was nun, werter Gast“, sagte er mit belegter, schläfriger Stimme. „Du möchtest sicherlich schlafen?“

Der Engel nickte. Er genoss, dass sein Körper zur Ruhe gekommen war, und fühlte sich in dieser Hütte sehr behaglich.

„Also dann, es ist Zeit…“ Der Hausherr gähnte noch einmal und suchte mit den Augen nach seiner Frau. Sehen konnte er sie nicht, aber er hörte, wie sie sich am Bett hinter dem Ofen zu schaffen machte.

„Walja!“, rief der Mann. „Wo legen wir den Gast hin?“

„Bettzeug haben wir keines mehr… Es ist alles unten, er soll hinuntersteigen und sich zu den Soldaten legen…“, antwortete die Frau hinter dem Herd.

„Hörst du?“, sagte der Gastgeber und zuckte die Achseln. „Du bist ja auch eine Art Soldat, nicht wahr, also nichts für ungut…“

„Es ist nicht abgesperrt, zeig es ihm!“, ergänzte die Hausfrau und schimpfte leise, weil sie etwas fallen gelassen hatte.

Der Hausherr führte seinen Gast zum Kellerabgang, und der Engel kletterte auf der Treppe nach unten. Auch unten war es hell – es brannte eine ebensolche Lampe –, nur erwies sich der Keller als etwas niedrig, gerade so hoch wie er selbst. Was seine Größe betraf, so war er freilich etwas kleiner als die Stube, aber auch dort stand ein Tisch, und außerdem drei Holzbänke, die mit Leinenzeug aufgebettet waren. Auf dem Tisch stand der Topf, den die Hausfrau hinuntergetragen hatte, und am Tisch saßen Menschen. Der Engel bückte sich ein wenig, damit das Licht der Lampe, die neben ihm hing, ihn nicht blendete. Er sah drei Tischgenossen beim Essen vor sich: einen alten Mann und zwei jüngere Leute, einer von ihnen trug ein grünes Gewand wie er selbst, der andere hatte Lumpen am Leib.

Der Engel grüßte, und die drei am Tisch nickten ihm zur Antwort zu. Sie aßen konzentriert und gewissermaßen erschöpft; die Erschöpfung stand in ihren Gesichtern geschrieben. Das Erscheinen des Neuen rief bei ihnen keinerlei Verwirrung oder Verwunderung hervor.

Nachdem sie die Kartoffeln aufgegessen hatten, verschnauften sie ein wenig. Der Alte stand sogleich auf, legte sich auf die Bank in der Ecke und wandte sich vom Licht und von den anderen ab.

Der grün gekleidete Mann musterte den Engel aufmerksam, dann tauschte er einen Blick mit seinem Tischnachbarn.

„Aus welchem Trupp bist du?“, fragte er den Engel, während er mit den Fingern etwas zwischen den Zähnen hervorstocherte.

„Ich gehöre zu keinem Trupp…“, sagte der Engel. „Ich bin vom Himmel herabgekommen… Ich wollte sehen, wie es hier ist…“

„Vom Mond bist du gefallen und nicht vom Himmel!“, schnitt ihm der grün Gekleidete hämisch das Wort ab. „Hast du deine Uniform etwa nirgends eintauschen können?“

„Aber Sie tragen doch dasselbe Gewand…“, erwiderte der Engel.

„Ich hab schon was ausgemacht. Mir bringt der Hausherr etwas in der Nacht.“

„Vielleicht bringt er mir auch etwas?“, dachte der Engel laut, der bereits verstanden hatte, dass die Kleidung, die er trug, der Grund für viele Unannehmlichkeiten werden könnte.

„Dir bringt er nichts. Er hat nichts mehr… Und wie würdest du es denn bezahlen? Ich habe ihm eine Waffe gegeben, aber du hast ja rein gar nichts, nicht einmal aus deiner Tasche lugt irgendetwas hervor.“

Der Engel fühlte mit der Hand in den Taschen und überzeugte sich davon, dass sie gähnend leer waren.

„Sag doch einfach dem Hausherrn, dass du es in seinem Schweinestall abarbeitest!“, riet ihm der Bursche in den Lumpen. „Er hat einen Schweinestall, das habe ich gehört, als ich zum Haus gekommen bin!“

„Nein“, sagte der Soldat langsam. „Ist er denn ein solcher Dummkopf, dass er einem Deserteur erlauben wird, in seiner Uniform den Schweinestall auszumisten?!“

Der Alte, der auf der Eckbank lag, schnarchte auf, und alle drei sahen in seine Richtung.

„Und wie wär’s damit?“, sagte der Bursche in den Lumpen zögernd. „Du könntest dem Alten eins über die Rübe ziehen und dich dann umziehen. Es wird dir zwar alles etwas zu kurz sein, aber schau mal, was für ein Stoff.“

„Warum eins über die Rübe ziehen?“, wunderte sich der Engel. „Wozu?“

„Na, von selbst wird er dir nichts geben, und du siehst ja, was das für einer ist: Zieht sich in der Nacht nicht aus, schläft in der ganzen Kleidung“, erklärte der Bursche. „Und das bedeutet: Wenn du ihm keine drüberhaust, dann kannst du dich auch nicht umziehen.“

„Ist schon gut“, winkte der Engel ab. „Ich werde mich später anderswo umziehen.“

„Dummkopf“, sagte der Deserteur schneidend.

Der Eingang zum Keller öffnete sich knarrend. Der Hausherr kam die Leiter bis zur Hälfte herabgestiegen und warf dem Deserteur ein Bündel zu.

Der Deserteur knüpfte es eilig auf; es erwies sich, dass dies tatsächlich die versprochenen zerlumpten Fetzen waren. Sogleich zog er sich um und betrachtete sich.

Der Bursche in den Lumpen lachte laut auf, obwohl er selber nicht besser angezogen war, und auch der Engel lächelte: Der Deserteur trug jetzt eine dunkelblaue Hose, die knapp unter dem Knie abgeschnitten war, sowie das Oberteil eines Sarafans,[1] natürlich ohne Ärmel und von undefinierbarer Farbe, von der es in den Augen flimmerte.

Der Deserteur sagte kein Wort und warf dem Hausherrn seine Militäruniform zu. Die Stiege knarrte und der Eingang zum Keller wurde geschlossen.

„Zeit zum Schlafen…“, brummte der neu Eingekleidete und machte sich an der Lampe zu schaffen, worauf sie erlosch.

Der Engel stand in völliger Dunkelheit da und hörte, wie sich die Bewohner des Kellers auf ihren Bänken einrichteten. Als es ruhig wurde, fragte er:

„Wo kann ich mich hinlegen?“

„Auf den Tisch!“, sagte der Deserteur aus der Dunkelheit.

Gehorsam kletterte der Engel auf den Tisch, legte sich auf die Seite, zog die Beine unter sich, damit sie nicht hinunterhingen, und versuchte einzuschlafen. Es war aber ungemütlich und kalt, und so lag er etwas unbehaglich auf dem Tisch und gab sich seinen Gedanken hin im Versuch, das Leben, das ihm da begegnete, zu verstehen. So lag er auch dann noch da, als die Luft im dunklen Keller von Schnarchen, Schnaufen und irgendjemandes schläfrigem Gemurmel erfüllt wurde. Das Gemurmel erzählte von unglücklicher und ungeteilter Liebe und dem Engel wurde davon nur noch trauriger und ungemütlicher zumute. Mit einem leisen Schmerz horchte er so lange auf dieses Gemurmel, bis von oben her, aber nicht aus dem Zimmer, das sich über dem Keller befand, sondern von der ganzen Erde her, Lärm wie von einer Maschine zu vernehmen war, der zwar bald aufhörte, aber an seine Stelle traten andere Geräusche und Stimmen, die nun nicht mehr die ganze Erde betrafen, sondern nur mehr das Zimmer, das sich direkt über ihnen befand, und die Bretter des Bodens, über den jemand auf- und abging, fingen schuldbewusst zu knarren an. Vielleicht gingen auch mehrere, denn es waren einige Stimmen, und unter ihnen befand sich die leise Stimme des Hausherrn, öfters sprachen jedoch andere, die rauere Stimmen hatten. Dann wurde mit einem Mal alles ruhig, aber da öffnete sich auch schon der Eingang zum Keller und ein Lichtschein drang herunter.

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traditionelle bäuerliche russische Frauentracht